temporeich und brandaktuell

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hiclaire Avatar

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Einen Dengler-Krimi von Wolfgang Schorlau wollte ich schon lange mal lesen, und dieser, bereits der zehnte für Dengler, hat mich von der aktuellen Thematik her angesprochen. Meist beginne ich eine Reihe mit dem ersten Teil, weil mich die privaten Entwicklungen interessieren und ich diese gern von Anfang an verfolge, aber das lässt sich nachholen. Klar habe ich gemerkt, dass mir rund um die Hauptfiguren Vorkenntnisse fehlen, die das Ganze runder gemacht hätten, doch für den Plot von Kreuzberg Blues war das nicht zwingend von Nöten. Im Kern geht es um das Recht auf Wohnen, das menschenwürdig und bezahlbar sein sollte, und um einen Immobilienmarkt, auf dem mit zunehmender Globalisierung mit immer härteren Bandagen gekämpft wird. Mit kleinen Abstrichen hat mir mein erster „Dengler“ ziemlich gut gefallen.

Olga, Denglers Gefährtin (ich glaube, sowohl beruflich, als auch privat), wird von einer Freundin um Hilfe gebeten und Dengler begleitet sie nach Berlin, von wo der Hilferuf kommt. Eigentlich wollen sie nur der Freundin behilflich sein, doch geraten sie nach und nach in einen Strudel von Ereignissen und Ermittlungen, die sie irgendwann selbst in Gefahr bringen. Die Einblicke, die man in diesem Buch bekommt sind teilweise schockierend. Z. B. gibt es da diese perfide Strategie eines Immobilienkonzerns zur Gewinnmaximierung. Keine Ahnung, ob es sich dabei um recherchierte Tatsachen handelt oder eine mögliche Fiktion. Lieber wäre mir das letztere, aber leider kann ich mir auch ersteres gut vorstellen. Und es bleibt nicht allein bei dem Brennpunkt Immobilien …

Schorlau packt hier jede Menge rein an aktuellen Themen, nicht zuletzt auch noch Corona samt Querdenkern und Impfgegnern. Er verknüpft die Immobilien-/Mietproblematik mit weiteren gesellschaftlichen und politischen Missständen, wobei ich seine Sichtweisen politisch-ideologisch als recht einseitig empfunden habe. Aber mir gefällt, dass und wie er Stellung bezieht, nicht zuletzt weil ich seine Meinung weitgehend teile.

Diese Themenvielfalt ist für mich Stärke und Schwäche zugleich gewesen. Die vielen und häufig sehr schnell aufeinander folgenden Perspektivwechsel sorgen für Abwechslung und Tempo, erschweren es aber auch, tiefer in eine Handlung einzutauchen. Zeitweise war es mir fast etwas zu unruhig und zu bruchstückhaft.

Bezüglich Sprache und Erzählstil ist mir aufgefallen, dass der Autor allerhand Klischees verarbeitet hat. Jedoch wirkte es auf mich weniger als erzählerische Schwäche, denn als Mittel seine Botschaft(en) sowohl deutlich als auch unterhaltsam zu transportieren. Einige seiner Figuren wirken manchmal fast wie Karikaturen, und trotzdem können auch sie überraschen.
Wie oft bei dieser Art Krimi geht es relativ unblutig zu, mal ein bisschen ruppig, aber nicht übermäßig grausam. Allerdings gab es eine Szene, die ich dann doch lieber quer gelesen habe.

Insgesamt hat mir mein erster Dengler gut gefallen und ich werde bei Gelegenheit mit Band 1 starten.