Besser mal Experten fragen.....

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sabatayn76 Avatar

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Inhalt:

Verschiedene Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung des menschlichen Gehirn beschäftigten, werden auf brutalste und kaltblütigste Weise umgebracht. Der Wirtschaftsjournalist Troller bekommt Nachrichten vom Täter, der sich 'Kant' nennt und gern Trollers Buch zitiert. Die Suche nach dem Mörder beginnt - und die Zeit eilt.

 

Mein Eindruck:

Im Nachwort schreibt der Autor folgendes: 'Personen und Handlungen habe ich frei erfunden, die Fakten habe ich recherchiert.'. Es hört sich initial gut an, dass der Autor seinen Thriller auf Tatsachen und Forschungsergebnissen aufbaut und auch überprüft hat, ob alles richtig verstanden und beschrieben wurde. In den Rezensionen anderer Leser wurde immer wieder auf die exakte und detaillierte Recherche des Autors hingewiesen. Klingt gut? Stimmt aber leider nicht! Im gesamten Buch tummeln sich Fehler - und hiermit meine ich vor allem die mangelhafte Recherche in Sachen Bildgebung oder Neuroanatomie. Da ich selbst seit einigen Jahren in diesem Bereich arbeite, kann ich hier sehr gut zwischen richtig und falsch, zwischen guter und schlechter Recherche unterscheiden. Ich habe mich oft gefragt, wie viele andere Informationen und Interpretationen fehlerhaft sind – in Sachen Kant kann ich dies zum Beispiel selbst nicht einschätzen.

 

Beispiele für falsche Informationen:

1.

Ein 'funktionelles MRT' ist kein besonderes Gerät (wie der Autor schreibt), sondern eine radiologische Methode, ein bildgebendes Verfahren zur Darstellung von aktivierten Hirnarealen. Man kann anhand eines fMRT-Bildes auch keine gut abgegrenzte Raumforderung diagnostizieren (wie es im Buch geschieht), da die Auflösung hierfür zu schlecht ist. Weiterhin ist die Amygdala eine kleine Struktur, die nicht durch einen schnellen Blick auf das fMRT-Bild identifiziert werden kann. Zumal die (zuverlässige) Auswertung eine aufwändige Vorverarbeitung als Voraussetzung hat. Die Kopfspule wird übrigens vor dem Hineinfahren in den Scanner angebracht. Und der Kopf kommt selbstverständlich nicht am anderen Ende des Scanners wieder heraus, denn den möchte man ja untersuchen.

2.

Des Weiteren verwendet der Autor den Begriff der 'Dissoziativen Persönlichkeitsstörung'. Diesen Ausdruck gibt es nicht. Die alte Bezeichnung der Störung ist 'Multiple Persönlichkeit', die neue 'Dissoziative Identitätsstörung'.

3.

Der Autor erwähnt eine Struktur namens 'Gyros cinguli'. Gyros ist das, was man im griechischen Restaurant bestellen kann. Gyri sind Hirnwindungen. Die korrekte Bezeichnung der Struktur ist somit 'Gyrus cinguli'.

4.

Johler erwähnt den Film 'Der freie Wille' und erläutert, dass es darum um einen Mörder geht. Auch das ist falsch. Jürgen Vogel spielt einen Vergewaltiger. Übrigens ein sehr guter und empfehlenswerter Film!

5.

Das Medikament, das Johler erwähnt, heißt nicht 'Retalin', sondern 'Ritalin'.

 

Mein Resümee:

Ich wollte anfangs eigentlich vier Sterne geben, da sich der Thriller sehr gut liest und ein sehr spannendes Thema behandelt. Nach all den Belegen für eine schlechte Recherche kann ich das Buch jedoch nicht mehr Ernst nehmen.

Hat der Autor Kant falsch zitiert/ausgelegt? Hat er die Informationen zu Spiegelneuronen korrekt wiedergegeben? Was ist der derzeitige Forschungsstand bezüglich des freien Willens und bildgebenden Verfahren? Diese Fragen kann ich leider nicht beantworten. Ich fürchte aber, dass ein Autor, der einfachste Informationen ungenau oder sogar falsch wiedergibt, die Aussagen der Kant'schen Philosophie nicht verstanden hat.

Traurig!