Ein spannender Kopenhagen-Thriller

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dajobama Avatar

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"Einen Krimi zu schreiben ist ungefähr ähnlich schwierig wie der Versuch, einen Zopf aus Spinnweben zu flechten; tausend Fäden kleben an den Fingern und reißen, wenn man sich nicht konzentriert." Seite 333

Krokodilwächter ist das tiefgründige und vielschichtige Thriller-Debüt einer dänischen Autorin, welches in ihrem Heimatland wochenlang auf den Bestsellerlisten stand. Es handelt sich um den ersten Fall einer vielversprechenden neuen Kopenhagen-Thriller-Serie.

Die junge Studentin Julie wird erstochen und mit zerschnittenem Gesicht in ihrer Wohnung aufgefunden. Jeppe Körner und Anette Werner von der Kopenhagener Mordkommission ermitteln. Was auf den ersten Blick wie ein ganz gewöhnlicher Kriminalfall aussieht, entwickelt sich schnell zu einem rätselhaften Fall. Denn die emeritierte Professorin Esther de Laurenti hat nämlich genau diesen Mord in ihrem Romanmanuskript beschrieben. Doch wer kannte dieses Manuskript überhaupt? Die Geschehnisse überschlagen sich, denn der Täter scheint die Geschichte weiterzuschreiben und es gibt weitere Opfer.

Während die Handlung anfangs gemächlich anläuft, überzeugt das Buch bereits durch wechselnde Erzählperspektiven. Auch das Manuskript von Esther ist in einer anderen Schriftart abgedruckt. Dies erzeugt Spannung und lässt den Leser aus verschiedenen Sichtweisen mit den wichtigsten, sehr detailliert und liebevoll gezeichneten Charakteren und dem Mordfall bekannt werden. Spätestens im letzten Drittel nimmt die Handlung rasant Fahrt auf und entwickelt sich zu einem echten Pageturner. Vor allem weil auch Entwicklungen und Hintergründe auftauchen, mit denen man am Anfang des Buches niemals gerechnet hätte. Die Autorin versteht es brillant die Spannung bis zum Schluss zu halten und die Handlungsstränge schlüssig zu verknüpfen und überraschend aufzulösen.

Reizvoll finde ich auch das Ermittlerpaar Anette und Jeppe. Beide sind sehr sympathisch und realistisch dargestellt. Als eingespieltes Team haben sie eine bewährte Aufgabenteilung entwickelt, trotzdem gibt es immer mal wieder Reibereien. Während Anette privat wunschlos glücklich ist, befindet sich Jeppe mitten in einer tiefen Lebenskrise. Von der Ehefrau verlassen, von Impotenz und Rückenschmerzen geplagt, befindet er sich nahe dem psychischen Abgrund. Durch seine Menschlichkeit finde ich besonders Jeppe sehr authentisch und sympathisch und würde gerne mehr von ihm lesen.
"Alkohol ist ein treuloser Liebhaber, so süß am Abend, so grausam am Morgen danach." Seite 309

Alles in Allem ein absolut empfehlenswerter Thriller über die Macht des Schreibens und der Phantasie in gewohnter Diogenes-Qualität. Ich freue mich bereits um die hoffentlich bald folgenden Fälle mit Anette und Jeppe.