Sehr unterhaltsam

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marialein Avatar

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Seit sie in Rente ist, lebt die ehemalige Literaturdozentin Esther De Laurenti, wie sie es sich immer vorgestellt hat – sie schläft ausgiebig aus, schreibt an ihrem ersten Krimi, betrinkt sich mit ihren Freunden oder auch allein und lässt sich von ihrem guten Freund Kristoffer bekochen und verwöhnen. Sie lebt in ihrem eigenen Haus, das sie auch an zwei junge sympathische Studentinnen sowie einen zurückgezogenen älteren Herren vermietet. Klingt nach dem idealen Leben – aber als Esthers eigener Roman auf einmal grausame Realität wird, scheint das Schrecken für sie kein Ende zu nehmen…

Zuerst wird die junge Julie brutal verstümmelt und getötet. Gregers, der ältere Hausbewohner, der Esther trotz jahrelangen Zusammenlebens fast unbekannt ist, findet durch Zufall die Leiche und erleidet dabei einen Herzanfall. Dann wird der Literatin auch noch bewusst, dass ihr eigener Roman die Vorlage für den Mord lieferte und die Mordwaffe wird in ihrer Wohnung gefunden. Und als wäre das noch nicht alles, stirbt Kristoffer auch noch im Zusammenhang mit den Ermittlungen. Die Vermutung liegt nahe, dass der Mörder es auf sie persönlich abgesehen hat. Doch was will er von ihr? Hat es irgendetwas mit dem Kind zu tun, das sie vor langen Jahren zur Welt gebracht hat und auf den Druck ihrer Familie hin zur Adoption freigeben musste?

Für die Aufklärung sind die beiden Kommissaren Jeppe Kørner und Anette Werner verantwortlich. Der Leser bekommt einen ziemlich genauen Blick in das Privatleben des Kommissars, der von seiner Frau betrogen und verlassen wurde und eigentlich ganz andere Sorgen als Mord und Todschlag hat. Dennoch hängt er sich voll und ganz in den Fall rein und bekommt schließlich auch eine wohlverdiente „Belohnung“.

„Krodokilwächter“ ist voller irreführender Pisten und unerwarteter Wendungen. Die Autorin schafft es, dem Leser etliche parallel verlaufende Handlungsstränge zu präsentieren, von denen aber erst ganz zum Schluss klar wird, wie sie nun genau zusammen hängen. Man kann getrost sagen, dass es nie langweilig wird, weil man permanent damit beschäftigt ist, sich einen Weg durch dieses Labyrinth zu verschaffen. Dadurch kann man das Buch auch nicht so einfach weglegen, weil einen ja auf jeder Seite eine neue Erkenntnis erwartet, die die Geschichte noch komplexer macht.

Die Idee, den Mord auf der Grundlage des Romans zu gestalten und ihn dann weiterzustricken, finde ich sehr gut umgesetzt. Die Auszüge lesen sich sehr glaubwürdig und machen die Passagen noch greifbarer, in denen der Mörder selbst das Wort ergreift. Was mir hingegen ein bisschen gefehlt hat, war die Persönlichkeit der Charaktere. So ist mir z. B. der Kommissar Jeppe, obwohl man so viel über sein Intimleben und seine Gefühlswelt erfährt, immer noch weitgehend fremd, man kann sich nicht so gut in ihn hineinversetzen. Das hängt aber vielleicht auch damit zusammen, dass so viele Charaktere auftauchen und miteinander agieren und man gar nicht so viel Gelegenheit hat, sich mit jedem zu beschäftigen und nebenbei auch noch auf den Fall zu konzentrieren.

Insgesamt ist Krokodilwächter ein spannender und komplexer Thriller, der sich auf jeden Fall lohnt. Ich bin gespannt auf weitere Romane aus der Copenhagen-Reihe.