Spannende Frauenfiguren

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In einem Kopenhagener Mehrfamilienhaus findet ein Nachbar die Studentin Julie ermordet und mit Schnitten verstümmelt in ihrer Wohnung. Die Vermieterin Esther, eine erst seit kurzem pensionierte Professorin, lebt im gleichen Haus und ist sichtlich geschockt, als sie die Nachricht vom Tod ihrer Mieterin erhält. Julie hatte bei Esthers Feiern ausgeholfen und auch sonst hatte die junge Frau eine besondere Bedeutung für Esther, die sich erst nach und nach erschließt.

Die Ermittlungen leiten Anette Werner und Jeppe Kørner, ein ungleiches, aber eingespieltes Team. Anette ist burschikos, glücklich verheiratet, sehr effizient. Jeppe ist geschieden, unglücklich und sehr auf sein – anfangs ruhendes – Sexualleben fixiert. Seine Arbeit würde noch stärker darunter leiden, wenn Anette ihn nicht decken würde.

Innerhalb einer einzigen August-Woche werden sowohl Esther als auch Jeppe durch ein Wechselbad der Gefühle gejagt. Esther fühlt sich schuldig, muss tief in ihre Vergangenheit eintauchen, verliert vertraute Personen und gewinnt unerwartet einen neuen Freund. Und Jeppe – er ist einfach nicht bei der Sache, weil er unglücklich ist und dann, weil er glücklich ist.

Auf 500 Seiten lässt Katrine Engberg den Leser in eher gemächlichem Tempo an der Auflösung des ersten Falls dieses dänischen Ermittlerpaares teilhaben. Im Fokus steht in diesem ersten Fall Jeppe Kørner und sein angeschlagenes männliches Ego. Blass, aber nicht unsympathisch, bleibt Anette Werner im Hintergrund. Esther, eine Frau im Pensionsalter, mit Ecken, Kanten und einigen Schwächen, gehört zu den interessantesten Figuren in diesem Krimi, der ungerechtfertigt als Thriller bezeichnet wird.
Und auch der Hinweis auf Kopenhagen ist irreführend, denn die Handlung könnte in jeder größeren Nordeuropäischen Stadt mit einer Universität und einem Theater spielen.

Trotz dieser Kritikpunkte unterhält Katrine Engberg mit Krokodilwächter nicht nur wegen ihres guten, flüssigen Schreibstils, sondern auch wegen der überraschenden Wendungen. Und schließlich erfährt man auch, was es mit dem Titel auf sich hat.

Die Fortsetzung muss ich nicht unbedingt lesen, werde es aber wahrscheinlich tun. Anette und Esther lohnen es.

Auch wenn mich dieser Krimi- definitiv kein Thriller – nicht restlos überzeugen konnte, verdient das Cover einen Extra-Stern. Weiß mit schlichter, teilweise erhabener Schrift, durchbrochene Schnitte auf den roten Leineneinband – mein Lieblingscover in diesem Jahr.