Erinnerungsstrudel

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throughmistymarches Avatar

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Knapp 20 Jahre alt ist Jirka, als er nach fünf Jahren Internat an einem glühend heißen Sommertag auf den Hof der Familie zurückkehrt. Dieser wurde in den letzten Jahren vom Vater und der älteren Schwester Malene bewirtschaftet. Ebenfalls da sind Oma Agnes, mittlerweile dement, und Leander, der Sohn des ehemaligen Hofverwalters. Gemischte Gefühle wäre eine Untertreibung für das, was Jirka bei der Heimkehr empfindet. Der Ort ist so eng verbunden mit Erinnerungen an die ersten 14 Jahre seines Lebens. Und genau in diese Erinnerungen und deren Band zur Gegenwart taucht Julja Linhofs Erzählung ein. Jirkas Aufwachsen ist einerseits geprägt von typischen Landkindheitserinnerungen, die mir selbst sehr bekannt vorkamen. Andererseits ist da aber auch viel Gewalt – verbal, emotional, körperlich – die die Figuren einander antun. Hinzu kommt eine Sprachlosigkeit, durch die es beinahe unmöglich scheint, den Kreislauf der Dinge zu durchbrechen.
Mit atmosphärischem, durchdringendem Stil lässt Linhof die Leser:innen teilhaben daran, wie Jirka zurück auf dem Hof mit all den Gefühlen und Erinnerungen, die er versuchte zu verdrängen, konfrontiert wird. Sprachlich so intensiv, dass man manchmal vergisst, dass es sich bei „Krummes Holz“ um einen Debütroman handelt.

Mein einziger Kritikpunkt ist, dass die Geschichte, vor allem gegen Ende, ein bisschen überladen wirkt, wodurch einzelne Stränge (zum Beispiel eine genauere Betrachtung der Beziehung der beiden Geschwister zu einander) ein wenig untergehen. Nichtsdestotrotz eine absolute Empfehlung.