Krumme Geschichte

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wilde hummel 1 Avatar

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Krummes Holz von Julia Linhof beginnt als vielversprechende Geschichte eines jungen Mannes, der nach 5-jähriger Abwesenheit zurückkehrt auf den großen Gutshof seiner Kindheit. Jirka erzählt in Ich-Form seine heutigen Eindrücke und immer wieder kurz dazwischen geschoben spotartig Kindheitserinnerungen. So wie der heutige Hof dem Untergang, Verfall anheim fällt, so düster, freudlos und voller grausamer Härte sind die Bilder der Rückerinnerung. Die Großmutter Agnes, inzwischen dement, der abwesende brutale Vater, die Mutter, die in einer Heilanstalt verstarb und die ältere Schwester - alle sind irgendwie verkapselt und emotionslos. Eine besondere Rolle spielt Leander, der Sohn des ehemaligen Verwalters. Zwischen Jirka und ihm entsteht eine homosexuelle Anziehung und die Autorin beschreibt feinsinnig und sehr zartfühlend diese quere Geschichte. Mit dem Schreibstil konnte ich mich jedoch überhaupt nicht anfreunden. Der Versuch des poetischen Erzählens artet zu oft in eine verdrehte, manierierte Schreibkunst aus, die irgendwie angestrengt wirkt und dabei die Geschichte minimiert. Da hätten mir kurze, nüchterne Beschreibung der Kindheitserfahrungen von Jirka besser gefallen. Beispiel Seite 258: "In ganzen Sätzen zerfurchen sie die Ohrmuscheln und zerfallen dann unter der Hirnrinde in Silben, in Lippenbewegungen ohne Ton,...." Auch wenn gedämpftes Hören so ausgedrückt werden kann, sind sie m.E. keine Bereicherung für diesen Roman. Auch der Hauptprotagonist bleibt bei all den vielen bildhaften Beschreibungen eher unwirklich und vielleicht war es auch die Absicht der Autorin, das Fehlen menschlicher Nähe durch kunstvolles Wortspiel zu verdeutlichen. Persönlich hat mich dieser Schreibstil mit seinen vielen Zeitsprüngen nicht überzeugt.