Krummes Holz - Familie ist nicht immer schön

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Krummes Holz, so heisst das Fleckchen Erde, wo der alte Gutshof steht, die Heimat unseres Protagonisten. Georg, benannt nach seinem Vater, kehrt nach 5 Jahre im Internat heim, jetzt ist er 19 Jahre alt.

Zuhause trifft er auf seinen alten Freund Leander, den Sohn des ehemaligen Gutsverwalters Vilem, der nach dem Tod seines Vaters quasi ein Teil der Familie wurde.

Und dann ist da noch seine ältere Schwester Malene, die aber recht feindselig und reserviert ihm gegenüber ist. Und Agnes, seine strenge Großmutter, die inzwischen an Demenz erkrankt ist. Nur Georg, sein Vater, scheint spurlos verschwunden zu sein.

Seine Mutter war damals psychisch erkrankt und lebte daher in der Heilanstalt, wo sie dann starb, als er 6 Jahre alt war. Der Vater hatte einen sehr autoritären Erziehungsstil und die Kinder hatten eine lieblose Kindheit.

Jetzt wo Georg - genannt Jirka - nach so langer Zeit wieder nach hause kommt brechen viele seiner Kindheits- und Jugenderinnerungen über ihn herein. Das sind natürlich viele unangenehme Erinnerungen, aber auch schöne – zumindest was seinen Freud Leander und dessen Vater angeht. Denn dort hat er sich immer wohl gefühlt. Und all diese Erinnerungen führen zu einer Selbstreflexion, die dringend nötig ist für Georg, denn in den 5 Jahren im Internat und durch den Abstand hat er viel verdrängt.

Es ist ein harter Stoff, der uns in diesem Buch erwartet, aber es ist mit einer sehr feinsinnigen Sprache erzählt, in die man schön abtauchen kann. Intensiv, zart, packend, aufwühlend – ein wirklich starkes Debüt!

Auch wenn auf den ersten 100 Seiten nicht viel passiert, ausser dass Georg eben dort zuhause ankommt und auf die verschiedenen Personen trifft. Die Story baut sich langsam auf, man findet sich ein dort im Krummen Holz, das Landleben sorgt für Entschleunigung. Aber durch die Puzzlestücke aus der Vergangenheit setzt sich ein Bild zusammen, und man wird hineingesogen in die Geschichte. Vieles wird erst nur angedeutet, aber später erklären sich viele Zusammenhänge noch.

Die Beziehung zu seiner Schwester ist sehr schwierig, denn sie fühlt sich von ihm alleingelassen. Fünf Jahre, die er nicht zuhause war, sind eine lange Zeit. Er ist inzwischen erwachsen geworden, und die beiden sind sich fremd geworden. Aber in der Erntezeit rücken sie näher zusammen, und ihre Bindung wird wieder stärker.

Die Autorin spinnt ein feines Netz aus Rückblenden, die uns immer tiefer hineinziehen in das Beziehungsgeflecht der Personen. Letzendlich geht es um die Suche nach Liebe und Glück, die in der Kindheit zu kurz gekommen sind. Und zwischen Leander und Jirga ensteht eine starke Anziehung, die sehr nachfühlbar beschrieben wird.

Der Titel ist – neben dem Namen des Ortes – auch eine Anspielung auf den Philosophen Kant: „Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.“ Und so ist es auch hier, die Menschen haben ihre „Fehler“, aber trotzdem ist das Ende relativ versöhnlich, denn man muss vielleicht dieses Nicht ganz gerade-Sein ein Stück weit akzeptieren, und trotzdem die Liebe zulassen, eben so unperfekt wie sie auch sein mag.