Müßge Großartigkeit an Gefühlen
Ein außergewöhnliches Buch, das mich noch lange nach dem Lesen gedanklich beschäftigt. Das Thema dreht sich um innerfamiliäre Beziehungen der unterschiedlichsten Charaktere, um Akzeptanz, um Leid, um Selbst- und Fremdbestimmung, um geschwisterliches Konkurrenzdenken, um Facetten der Wahrnehmung. All dies spielt sich ab in der sommerlichen Hitze und Dürre, in einer zerbrochenen Familie auf ihrem ärmlichen Gehöft im sogenannten Krummen Holz. Der Protagonist Jirka kehrt nach fünf Jahren Internat zurück in seine Heimat und findet sich sogleich in bruchstückhaften Erinnerungen an seine zum Albtraum gewordenen Kindheit wieder. Die Sprünge zwischen Gegenwart und Erinnerung sind stellenweise verwirrend und undeutlich, sodass nicht immer klar ist, in welcher Zeit sich Jirka nun gerade befindet. Mit der Zeit zeichnet sich ein klares Bild, welche Geschichte sich hinter Kindheit und Gehöft und Heimlichkeit verbirgt. Ab der ersten Zeile wird ein Spannungsbogen aufgebaut und durch karg eingestreute Informationen aufrechterhalten. Das Ende schließlich konstruiert sich als logische Konsequenz und großes Finale aller angefangener Handlungsstränge, sodass das große Finale in Sachen Brutalität alles Vorhergehende übertrifft. Gewalt und Düsternis spiegeln sich auch in Julja Linhofs Stil wider: Die teils überbordende Verwendung von erzwungen wirkenden Stilmitteln machen den Roman gekünstelt kompliziert. Das Lesen erfordert die volle Aufmerksamkeit, um jede Nuance in der Stimmung aufzunehmen. Den Roman macht das auf der einen Seite einzigartig, auf der anderen Seite lässt er sich nur mühsam lesen und ist definitiv keine Lektüre für kurz mal ein paar Seiten lesen.
Es braucht Muße und Hingabe; dann jedoch wird man als Rezipient mit einer Großartigkeit an Gefühlen belohnt.
Es braucht Muße und Hingabe; dann jedoch wird man als Rezipient mit einer Großartigkeit an Gefühlen belohnt.