Einblick in den Optimierungsboom der Menschheit

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Wo liegt die Grenze zwischen Leben und Tod? Zwischen Mensch und Maschine? Was ist eine medizinische Behandlung und ab wann „spielt man Gott“? Ist es egoistisch, unsterblich sein zu wollen? Ist es erstrebenswert? Oder ist es besser, wenn die eigene Zeit irgendwann abgelaufen ist?
Viele hochinteressante, philosophische Fragen, mit denen sich Petra Ivanov in ihrer „Kryo“-Trilogie befasst.
„Die Verheißung“ ist der Auftakt und durfte bei mir als Rezensionsexemplar einziehen.
Der Chirurg Michael Wild begibt sich darin auf berufliche Abwege und möchte einen journalistischen Artikel über „Transhumanismus“ verfassen. Bei seiner Recherche verschwindet er spurlos. Warum? Wem ist er auf die Füße getreten?
Seine Mutter Julia ist sich sicher, dass ihre eigene Vergangenheit sie wieder einholt. Fest entschlossen macht sie sich auf die Suche nach Michael und betritt die Welt von Blutplasma-Verjüngungskuren, Körper-Konservierung und digitaler Bewusstseinsspeicherung…
Die Autorin erzählt uns in der dritten Person von der zurückgezogen lebenden Julia, deren Erlebnisse den Löwenanteil der Geschichte einnehmen. Sie lebt abgeschottet, arbeitet von zuhause und gibt sich nur mit ihrem super lieben Ehemann Henry und dem gemeinsamen Hund Sam ab. Neben ihr begleiten wir noch das russische Ex-Model Vita und den obdachlosen Jungen Cody, dessen Schicksal mir nah ging. Diese Erzählstränge bringen Spannung in die Sache, da ihre Rollen nicht sofort offensichtlich sind und wir uns über die beiden an andere relevante Figuren annähern. Dreh- und Angelpunkt aller Charaktere ist der ominöse Andrej, der gleich im Prolog einen filmreifen Tod stirbt. Er ist derjenige, der mit sämtlichen Personen in Verbindung steht, doch seine Rolle bleibt lange Zeit undurchsichtig. Klar ist nur, dass es eine gewichtige ist.
Wegen allerhand weiterer Nebenfiguren ist vorne im Buch ein Personenverzeichnis zu finden. Grundsätzlich eine tolle Sache, nur leider empfinde ich die Kategorien als Spoiler. Zwar handelt es sich nicht um den Spoiler des Jahrhunderts, der einem das ganze Buch versaut, wenn ihr da allerdings etwas genauer mit dem Thema seid, rate ich euch dazu, diese Seiten zu überspringen.
Der Plot fühlte sich sehr „echt“ an, als könnte das Ganze wirklich so passieren. Es wird auf tatsächlich existierende Forschung und reale Personen Bezug genommen. Petra Ivanov hat wirklich gut recherchiert. Leider geht das auf Kosten der Spannung. Julia reist auf ihrer Suche nach Michael viel umher und spricht mit einer ganzen Menge an Leuten, fährt von einem Labor zur nächsten Schönheitsfarm und findet durchaus unterhaltsame aber wenig actionreiche Methoden, um sich eine Audienz bei den richtigen Leuten zu verschaffen. Verschiedene Sichtweisen zum Thema Transhumanismus kennenzulernen fand ich zwar faszinierend und ab und an geht es auch mal zur Sache aber aus irgendeinem Grund konnte mich das Buch nicht bei der Stange halten. Woran es lag weiß ich nicht, es hatte einfach keine Sogwirkung auf mich, obwohl es flüssig geschrieben und das Thema total mein Fall ist. Ich habe viel gelernt, von dem ich nicht wusste, dass es bereits Realität (und vielleicht die Zukunft?) ist.
Vermutlich hätte „Kryo“ mehr Aufmerksamkeit benötigt, als ich zum Zeitpunkt des Lesens geben konnte. Mit dem zweiten Band und mir wird es bestimmt besser laufen!