Krimi und Gesellschaftskritik

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
fräuleinsalander Avatar

Von

Kriminalkommissar Kühn hat eine neuen Fall: Ein junger Mann mit libanesischem Migrationshintergrund wird tot an einer Tramhaltestelle aufgefunden. Doch damit nicht genug: Kühn muss sich mit einem ehrgeizigen Kollegen auseinandersetzen, der immer distanzierteren Beziehung zu seiner Frau, einem Seitensprung, gesundheitlichen Problemen und dem Wertverfall seines Reihenhauses.

Ich fand es tatsächlich schade, als ich das Buch ausgelesen hatte, es ist sehr kurzweilig geschrieben und hat eine gute Mischung aus ernsten und witzigen Stellen. Die Handlung beschäftigt sich etwas zu gleichen Teilen mit dem Berufs- und Privatleben von Kühn. Das Buch liest sich wirklich spannend, ohne dass Kunstgriffe benötigt werden, um das Interesse des Lesers aufrecht zu erhalten.

Die Auflösung des Falls und die Erklärung dafür haben mich schockiert, auch weil es alles so unglaublich und gleichzeitig plausibel klingt: bei Leuten aus einer bestimmten Gesellschaftsschicht kann es sehr lange dauern, bis sie zur Rechenschaft gezogen werden, wenn das überhaupt passiert.

Sehr gut hat mir gefallen, wie ungeschönt die sozialen Milieus in München einander gegenüber gestellt werden: auf der einen Seite die Menschen aus Kühn’s Viertel und auf der anderen Seite das im Vergleich abgehobene Leben der van Hautens und ihrer Freunde. In einem ironisch-satirischen Ton, der einen auch zum Schmunzeln bringen kann, wird ein erschreckendes Gesellschaftsporträt gezeichnet: Themen wie die zunehmende Fremdenfeindlichkeit, die prekäre Wohnsituation in Großstädten wie München; Burnout; Chancenungleichheit etc. werden durchaus gesellschaftskritisch angesprochen, jedoch nie mit erhobenem Zeigefinger.

Die Hauptperson Kühn ist auf den ersten Blick ein biederer Polizist, der nach Feierabend zu seiner Familie in die Reihenaussiedlung zurückkehrt und der sich vom Lebensstil der van Hautens scheinbar beeindrucken lässt. Man traut ihm anfangs nicht unbedingt zu, den Fall zu lösen, doch er entwickelt sich im Laufe des Romans weiter und wurde mir als Figur immer sympathischer.