Martin Kühn überzeugt!

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rauschleserin54 Avatar

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Dieses Buch ist mein erstes von Jan Weiler. Ich kannte Kühn noch nicht:

„Jan Weiler ist einer der interessantesten Autoren der deutschen Gegenwartsliteratur, weil er nicht nur über eine eigene Sicht auf die Welt verfügt, sondern auch über eine eigene Sprache, diese Sicht auszudrücken.“ Denis Scheck

Martin Kühn hat eine schwere Zeit hinter sich, er meidet zur Zeit Ärzte. Er will wieder ein normales Leben und seine Arbeit als Hauptkommissar, obwohl das nicht so einfach ist. Er wohnt auf der Weberhöhe, Gifte aus einer ehemaligen Waffenfabrik ziehen in seine Gemäuer ein und genau wie seine Nachbarn, sieht er da hoffnungslos in die Zukunft. Genau das Gegenteil findet er in seiner Berufung, logische Schlüsse aus Puzzleteilen der Ermittlungsarbeit zu ziehen und dort die Gerechtigkeit walten zu lassen. Steierer, sein Freund und Kollege, ist da nicht immer eine Hilfe, da er eigene Karrierepläne hat und der Polizeipräsident selbst muss ihn zu Führungsseminaren einladen, die Kühn nicht sehr liebt.

Privat glaube er, dass seine Frau den Yoga-Kurs vorschiebt, um irgendwas anderes zu tun, aber er zögert eine Aussprache hinaus. Das Nachdenken wird dann um einen grausamen Mord an einen jungen Mann, Sohn libanesischer Einwanderer aus ärmlichen Verhältnissen, zerstreut, da jetzt die Ermittlungen auf Hochtouren laufen. Und da gibt es dann noch eine Verbindung zu den angesehensten Familien der Stadt, die eine Harmonie leben, die Kühn in eine andere Welt führt.....

Ich kannte Jan Weiler noch nicht und somit auch nicht den ungeheuer authentischen Martin Kühn, dem zu begegnen, mir eine große Freude war. Ich hatte nicht erwartet, eine so klare, eine so detailliert gesellschaftskritische Sprache vorzufinden. Ich fühle mich angesprochen und bin bei Kommissar Kühn, der genau das sieht, was ich als Leser auch in Ansätzen mal mehr, mal weniger jeden Tag spüre, und was mich umtreibt. Dieser Roman ist ungeheuer vielschichtig und weniger Krimi als Porträt einer Gesellschaft, die in Klassen zerfällt und die Auswüchse daraus.

„Es gibt in einer Stadt wie München zwei Sorten von Bewohnern der sogenannten Stadtrandgebiete. Die einen haben es nicht nötig, in der Stadt zu wohnen – und die anderen können es sich nicht leisten. …..Und selbst wenn der Weg zur Arbeit nur eine halbe Stunde dauert, so leben die Menschen vom Rand doch immer mit der Gewissheit, niemals ins Zentrum zu gehören, aus dem sie nach Feierabend wieder herausgeschleudert werden. Sie halten sich an diesem Rand fest, und das Fundament ihrer Häuser hilft ihnen dabei.“

Diese Sätze sind es, die mich fast sprachlos machen, weil sie so direkt sind und aus Kühn einen Kommissar machen, dem niemand mehr etwas vormacht und mit dem ich gern durch die Ermittlung ziehe, weil er wirklich weiß, wovon er spricht.
Jan Weiler hat mich überzeugt, beeindruckt und es hat gut getan, diesen spannenden Krimi, der zudem durch neue Wendungen, nie die immense Wirkung verliert, zu lesen. Diese besondere individuelle Art des Schreibens war für mich bereichernd und ich vergebe 5 Lesesterne für eine große Leistung und sehr gute Unterhaltung!