Der Frauenexport
Julia Malye hat uns einen historischen Roman über eine fast unbekannte Episode der Kolonialisierung beschert. Wir schreiben das Jahr 1720 und Frankreich besetzt ein Stück Land im heutigen US-Bundesstaat Louisiana. Im sumpfigen Gebiet des Mississippi siedeln französische Einwanderer, denen die Frauen fehlen. In Paris werden in der Anstalt Salpêtrière unangepasste oder psychisch Kranke oder unbequeme Frauen in einem Hospital festgehalten. Weibliche Gefangene nach Mississippi zu verlegen, eine Fracht Frauen auszuwählen und 90 unfreiwillig 'Freiwillige' zu verschiffen, das entspricht einer historisch verbrieften Wahrheit. Der Roman konzentriert sich auf drei Frauen: Pétronille, Geneviéve und die 12-jährige Charlotte und begleitet sie auf der langwierigen Schiffsreise und ihren unterschiedlichen Schicksalen in der Kolonie. Spannend und sehr lehrreich ist dieser Teil des französischen Kolonialismus allemal und Frau Malye hat gründlich recherchiert, allerdings fehlt dem Roman emotionaler Lesegenuss. Die einzelnen Passagen bleiben irgendwie unverbunden, da Frau Malye eine distanzierte Beobachtungshaltung einnimmt und möglichst viel Historie hineinpacken will. So ist das eingefügte Kapitel über die indigene Bevölkerung zwar aus der Sicht der Nachez geschrieben, wirkt aber unorganisch dazwischen gezwängt. Der Roman enthält eine Vielzahl an Namen, Figuren, Schauplätzen und das fordert beim Lesen volle Konzentration. Da dem Buch sehr hoch gehängte Erwartungen vorausgingen, war ich leider etwas enttäuscht. Als Roman fehlt dem Buch ein schlüssiger Spannungsbogen und als Dokumentation ist es nicht faktisch genug. Vielleicht ein Mangel in der Übersetzung oder ein Roman, durch den man sich zweimal lesen muss.