Die Strippenzieherin im Hintergrund

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dreamworx Avatar

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Die aus gutem Hause stammende Clementine Hozier trifft 1906 bei einem Bankett auf den politisch ambitionierten Winston Churchill. Doch erst zwei Jahre später intensiviert sich ihre Beziehung. Für seine weitere politische Karriere brauchte Churchill eine Ehefrau, so heirateten Clementine und er 1908 und wurden mit fünf Kindern gesegnet. Clementine war außerordentlich vielseitig interessiert und hielt ihrem Ehemann eher den Rücken frei, als die Zeit ihren Kindern zu opfern. Sie war eine sehr engagierte Verfechterin des Frauenwahlrechts, was in ihrer Ehe sicherlich einige Schwierigkeiten hervorgerufen hat, da Churchill diesem erst sehr skeptisch gegenübertrat, sich aber dann der Meinung seiner Frau anschloss. Clementine Churchill setzte sich für viele wohltätige Organisationen ein und pushte ihren Mann politisch immer mehr nach vorn, dem aufgrund von Depressionen oftmals die Kraft dazu fehlte.
Marie Benedict wendet sich in ihrem neuen Buch „Lady Churchill“ erneut einer starken Frauenpersönlichkeit zu, die in der Öffentlichkeit kaum Erwähnung findet, jedoch mit ihrem starken Willen und viel Engagement nicht nur das Leben des britischen Premierministers Winston Churchill prägte, sondern seine politischen Entscheidungen und damit die Geschicke des Landes entscheidend mittrug. Mit flüssigem, bildhaftem Erzählstil lässt Benedict den Leser ins vergangene Jahrhundert reisen, wo er durch spielerisch miteinander verknüpfte biografische Fakten und fiktive Elemente eine energische Frau kennenlernt, die sich als hervorragende Strippenzieherin erweist. Geschrieben aus Clementines Perspektive hat der Leser schnell das Gefühl, ihrem eigenen Wortlaut zu lauschen und die Ereignisse vor dem inneren Auge vorüberziehen zu sehen. Die Autorin hat akribisch recherchiert und lässt den historischen Hintergrund sowie politische Entscheidungen und Ereignisse wie selbstverständlich in ihre Handlung miteinfließen, um ein vollständiges Bild zu projizieren. Clementine Churchill war in erster Linie die Beraterin ihres Mannes und erst dann Ehefrau und Mutter, was ihr oft genug ein schlechtes Gewissen bereitet hat, aber keinesfalls ein Umdenken forcierte. Benedict schafft es auf ihre ganz eigene Art, dem Leser nicht nur Einblick in das politische Wirken des Ehepaares zu vermitteln, sondern lässt auch den Blick durchs Schlüsselloch zu, um die enge Beziehung zwischen Winston und Clementine sowie deren oftmals schwierigen Phasen genau mitverfolgen zu können.
Ihren Charakteren hat Benedict mit menschlichen Ecken und Kanten ausgestattet, die auf den Leser sowohl authentisch als auch glaubwürdig wirken und ihm die Möglichkeit geben, sie genau kennenzulernen. Clementine ist eine vielseitig interessiert und gebildete Frau, die sich für die Dinge engagiert, die ihr am Herzen lagen. Dabei nahm sie oft kein Blatt vor den Mund, was ihr nicht immer Sympathien einbrachte. Clementine ist durchaus energisch und treibt nicht nur die politische Karriere ihres Mannes voran, sondern bringt sich selbst in vielen wohltätigen Organisationen tatkräftig mit ein. Winston ist ein Mann, der neben seinem politischen Engagement durchaus auch eine feinsinnige und künstlerische Seite hatte. Nebenbei hat er sich als Schriftsteller, Journalist und Maler einen Namen gemacht.
„Lady Churchill“ ist ein unterhaltsamer historischer Roman über eine außergewöhnliche Frau. Die akribische Recherche der Autorin, verknüpft mit fiktiven Elementen, zahlt sich hier gut aus. Bis heute wird Winston Churchill verehrt, hat 1953 sogar den Nobelpreis für Literatur erhalten. Doch all seine Erfolge wären wohl ohne seine im Hintergrund agierende Ehefrau Clementine kaum möglich gewesen. Eine interessante Persönlichkeit, die sich kennenzulernen lohnt. Verdiente Leseempfehlung!