Frau Minister Churchill

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GELESEN: Marie Benedict „Lady Churchill“

ROMAN 441 Seiten
Erschienen am 15.04.2021 bei Kiepenheuer&Witsch
Erhalten 17.04 2021



Der Charakter der Gattin des weltweit bekannten Winston Churchill wird von Marie Benedict sehr eindringlich geschildert und hat mich zeitweise wirklich genervt. Eine Frau, die sich an der Seite des großen Staatsmannes ständig für unentbehrlich hielt, ihre Kinder vernachlässigte und sich aus Angst, von ihren wichtigen Aufgaben entbunden zu werden, keine Schwäche zugestand. Erst als sie mit ihren Nerven am Ende ist, klügelte sie mit ihrem Hausarzt aus, wie dieser sich ihrem Mann gegenüber zu äußern habe, damit sie eine dreimonatige Auszeit von den Kindern und von Winston bekam. Zwar machte sie sich über Jahrzehnte immer wieder Vorwürfe, ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter nicht gerecht zu werden, was aber nichts daran änderte, sich weiterhin in die Regierungsgeschäfte ihres Gatten einzumischen. Man möchte hier glauben, dass Winston Churchill es niemals so weit ohne Clementine gebracht hätte. Ob dies stimmt, werden wir nicht erfahren.

Marie Benedict hat lt. Anhang gut und lange recherchiert. Obwohl wir es hier nicht mit einer Biographie zu tun haben, erscheint der Wesenszug der Clementine Churchill authentisch.



12.09.1908
Wir erleben Clementine Hozier an ihrem Hochzeitstag, den sie im Haus ihrer Tante verbringt, welches sie aber in aller Herrgottsfrühe verlässt, um noch einmal als Junggesellin mit ihren Geschwistern, dem Zwillingspärchen Nellie und Bill, gemütlich eine Tasse Tee zu trinken. Gestört werden sie von ihrer merkwürdigen Mutter, die nicht viel für ihre Kinder übrighat und schon gar nicht für Clementine. Lady Blanche Henrietta Ogilvy interessiert sich für sich und ihre wechselnden Liebhaber, was sie mit Clementines zukünftiger Schwiegermutter Jennie verbindet, die es auch mit der Treue und der Liebe zu ihren zwei Söhnen nicht allzu ernst nimmt.

Clementine lernte Winston Churchill bei einer Einladung kennen. Schon bei ihrer ersten Unterhaltung hegen sie große Sympathien füreinander. Sie kannte ihn bereits aus der Presse, und er war von ihrem Scharfsinn angetan.

Das nächste Treffen fand auf Schloss Blenheim Palace statt, und Clementine war von der Örtlichkeit, die von einer Gartenanlage umgeben war, die ihresgleichen sucht, geradezu verzaubert. Plaudernd und höchst amüsiert durchwandern sie die Anlage. Das Schloss wurde von Winstons Vetter Sunny bewohnt, und Winston wurde dort geboren. An diesem Nachmittag gesteht Winston der 10 Jahre jüngeren Clementine seine Liebe und hält auch um ihre Hand an. Freudig erregt willigt sie in ein, wie sie jetzt schon weiß, aufregendes gemeinsames Leben ein.

14.10.1908
Nach der langen Hochzeitsreise beginnt für die Churchills das Eheleben. Zuerst bewohnen sie das Junggesellenhaus Winstons. Schon hier hat sich seine Mutter eingemischt. Als die Tochter Diana geboren wird und ein neues Haus gefunden wurde, ist Mrs. Randolph wieder präsent. Clementine kommt mit ihrer Mutterrolle nicht gut zurecht. Zu profan erscheint ihr die Versorgung eines Säuglings. Sie will an der Seite ihres Mannes Politik machen.

22.06.1911
Winston ist Innenminister und fährt mit Clementine in einer offenen Kutsche zur Krönungszeremonie Georg V. in die Westminster Abbey.


Randolph ist geboren, und Clementine muss wirtschaften. Der große Haushalt verschlingt oft mehr Geld als zur Verfügung steht.
Winston bessert sein Einkommen als Parlamentarier mit Schreiben von Büchern und Artikeln auf.
Clementine bildet sich politisch ständig weiter. Sie arbeitet an ihrer Rhetorik, hält Reden und unterstützt Winston wo es nur geht. Sie will ständig glänzen und nicht nur die Gattin und die Mutter seiner Kinder sein.

14.11.1911
Im Oktober wurde Winston zum Ersten Lord seiner Admiralität ernannt, und für Clementine hieß dies erneut Umzug. Noch größer, noch teurer, noch mehr Dienerschaft, aber sie wollte sich nicht beklagen. Würde sie dies tun, würde sie nur noch Hausfrau und Mutter sein. Dies wollte sie um keinen Preis. Sie wusste, dass sie alles schaffen konnte und behielt das Zepter in der Hand.



1914

Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges mieten sich Clementine und ihre Kinder ein Haus in Overstrand. Nach einer Fehlgeburt ist sie wieder guter Hoffnung und lässt alles ein bisschen ruhiger angehen. Winston ist jetzt mehr noch als sonst im Einsatz für sein Land.



Auch, nachdem Sarah geboren war, ging Clementine wieder ihren politischen Aufgaben nach, die sie extensiv betrieb. Ihre jüngere Schwester Nellie musste ihr sagen, dass nicht sie der Kriegsminister sei, sondern Winston. Clementine nahm sich überaus wichtig. Ohne sie ging gar nichts und nur sie wusste, was ihr Mann brauchte. Ihr dargestellter Charakter war schon zeitweise nervtötend. Ihre überhebliche Art und wie sie sich ständig unentbehrlich machte, sind anstrengend. Warum sie überhaupt Kinder bekam, ist rätselhaft. Die Kinder vergöttern die jeweils beschäftigte Nanny und verhielten sich teilweise sehr ablehnend ihrer Mutter gegenüber.



1914 – 1918

Nachdem ein von Clementine und Winston ausgeklügelter Schachzug misslungen ist und zum Desaster wurde, wird Winston seines Amtes enthoben und sogar aus dem Kriegsrat ausgeschlossen. Die Operation „Dardanellen“ von der sich beide so viel versprochen hatten, ging schief. Sie verlassen das Admiralty House und ziehen mit ihren drei Kindern zu Winstons Bruder Jack und dessen Ehefrau Goonies in deren Londoner Haus.

Winston malt.



März 1921

Der Krieg ist vorbei. Winston ist wieder im Amt als Kriegsminister. Zum xten Male sind sie umgezogen, und nun sollte am Sussex Square eine Bleibe für immer gefunden worden sein. Das vierte Kind, Marigold, ist geboren. Clementine ist ausgebrannt und verlässt für drei Monate die Familie, um neue Kraft zu schöpfen.

Gerade am Reiseziel angekommen, fährt sie mit ihrer Schwester Nellie schon wieder ab, denn von ihrer Mutter kam die Nachricht, dass ihr Bruder Bill gestorben sei. Bei der Mutter erreicht sie die Nachricht, sofort wieder nach Hause zu kommen. Marigold, das vierte Kind der Churchills, habe eine Blutvergiftung.

Marigold stirbt, und das Leben geht weiter. Randolph ist im Internat, und die Töchter Diana und Sarah auf höheren Schulen.



1922

Mary wird geboren, und weil Clementine jetzt weiß, dass sie ihren Mutterpflichten nicht nachkommen kann, kommt ihre Cousine ins Haus. Sie kümmert sich fortan um die Kinder.

Winston ist zur Untätigkeit verdammt. Er schreibt und hält somit die Familie über Wasser.



Wir machen einen großen Zeitsprung und landen im Jahr 1939, und seit 01. September herrscht Krieg. Winston bekommt seinen Posten als Kriegsminister zurück und reist mit Clementine umher. Unter anderem besichtigen sie Hafenanlagen und bereiten alles für den Kampf gegen Hitler-Deutschland vor. Clementine ist glücklich, dass er endlich wieder etwas zu sagen hat. Neville Chamberlain ist noch Premier, aber Winston weiß, dass er einfach zu „schwach“ für diese Position ist. Einige Monate später ist nun er im Amt und hat endlich erreicht, wofür er sein ganzes Leben gekämpft hat.



Winston Churchill ist Premierminister und zudem auch noch Kriegsminister. Clementine kümmert sich um all seine Mitarbeiter, die ihren Zuspruch brauchen, denn je mehr Winston unter Druck steht, desto aufbrausender wird er. Seine Tobsuchtsanfälle sind legendär, und Clementine beschwichtigt die Leute und macht ihnen Mut nicht aufzugeben.



Die ersten Bomben fallen und treffen auch Downing Street Nr.10. Clementine ist mit Winston und auch oft alleine unterwegs. Sie kümmert sich um eine bessere Ausstattung der Bunkeranlagen, spricht mit Ausgebombten und organisiert, wo es nur geht. Sie startet Sammelaktionen und erhält volle Postsäcke mit Briefen, in denen die Menschen ihren Dank bekunden. Auch bei wichtigen Staatsempfängen ist sie zugegen. Eleanor Roosevelt wird ihre Vertraute. Auch sie kämpft ihr ganzes Leben, ohne die direkte Anerkennung ihres Mannes, dem 32. Präsidenten der USA.



Kurz vor Ende des Krieges reist Clementine nach Russland. Viele Hilfsgüter wurden unter ihrer Hand nach dort verschickt und nun darf sie sehen, wie diese verteilt wurde.



Bei ihrer Rückkehr nach London empfängt Winston sie mit einem Blumenstrauß.





Das schöne rote Hardcover gefällt. Die Schrift ist groß, und ein Lesebändchen erleichtert die Wiederfindung der nächsten Seite nach einer Pause.

Das Schutzcover wird dem Buch nicht ganz gerecht. Hier hätte man vielleicht den gezeichneten Kopf von C.C., wenn nicht direkt eine Fotografie, verwenden sollen. Marie Benedict wurde gut übersetzt und ist eine recht interessante und fast schon anspruchsvolle Zeichnung Englands, der Welt und nicht zuletzt einer Frau, die an der Seite eines großen Mannes durch ihren Ehrgeiz sicher enorm viel bewirkt hat.


Im Dankesanhang steht zu lesen: „Wer sich über diesen fiktionalen Beitrag hinaus näher mit C.C. beschäftigen möchte, dem werden mehrere englische Bücher empfohlen. Eine deutsche Biographie über die Gattin des W.C. gibt es bislang nicht.“


Sir Winston Leonard Spencer-Churchill KG OM CH PCc RA
(* 30. November 1874 in Blenheim Palace, Oxfordshire; † 24. Januar 1965 in London

Clementine Ogilvy Churchill, Baroness Spencer-Churchill, GBE, geborene Clementine Ogilvy Hozier (* 1. April 1885 in London; † 12. Dezember 1977 in Knightsbridge, London), 92 Jahre