Viel Politik, wenig Frau

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sandraslesewelt Avatar

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Bei diesem Buch handelt es sich um eine Romanbiographie über Clementine Churchill, die Frau von Winston Churchill. Das Buch ist aus ihrer Sicht in der ersten Person Singular geschrieben und wirkt wie ein sehr detailliertes Tagebuch. Man erfährt wirklich im Detail von ihrer Arbeit an der Seite ihres Mannes, wie er in der Politik von einem Hoch ins Tief kam und dann schließlich im zweiten Weltkrieg den Zenit seiner politischen Karriere erklomm. Clementine war dabei stets an seiner Seite und hatte hinter den Kulissen mehr Einfluss auf ihren Mann und seine Politik als nach außen bekannt war. Man erfährt viel über Strategien im Krieg und politische Handlungen vorab. Dabei ist Clementine jedoch meist "die Frau von", von ihr selbst erfährt man zwischendurch immer mal immer mal etwas, aber so richtig lernt man sie nicht kennen.

Clementine fühlt sich in ihrer Mutterrolle unwohl und gibt die Erziehung ihrer Kinder an Kindermädchen ab. Gelegentlich zweifelt sie daran, ob es das Richtige wäre, doch in anderen Situationen sagt sie ganz klar, dass es ihr lieber ist, wenn die Kinder nicht um sie herum sind und sie ihr eigenes Leben leben kann. Erst zu ihrem letzten Kind schafft sie es eine Beziehung aufzubauchen, obwohl auch dieses nicht von ihr erzogen wird. Ich hätte mir mehr Einblicke in ihre Gedanken gewünscht. Ob dieses Verhalten einfach zur damaligen Zeit und ihrer Rolle an Winstons Seite gehörte oder ob sie noch andere Gründe dafür hatte, ihre Kinder komplett den Angestellten zu überlassen.

Auch über ihre Hobbys und Interessen erfährt man sehr wenig. Sie reist zwar gelegentlich, meist mit, manchmal ohne ihren Mann, und auf ihrer letzten großen Reise denkt sie viel über ihr Leben nach, aber auch diese Reise wird eher kurz und knapp dargestellt, anstatt dass man sie an dieser Stelle etwas länger begleitet und besser kennenlernt. Eine große Rolle spielen zudem ihre regelmäßigen psychischen Zusammenbrüche, die sie aber nicht als solche vor ihrem Mann zugeben will. Auch hier hätte ich mir mehr Details zu diesem Teil ihres Lebens gewünscht oder auch zwischendurch eben Gedanken zu ihrem eigenen Wohlbefinden. Die einzigen Gedanken, die man dazu erhält, sind ab und an ihr Wissen, dass ihre Zusammenbrüche mit dem Anspruch ihres Mannes an sie zu tun haben.

Im Großen und Ganzen wird alles, was Clementine als Mensch, als Frau, ausmacht nur kurz angerissen und sie kehrt immer wieder schnell in die Rolle der "Frau von" zurück. Mag sein, dass das tatsächlich so ihr Leben gewesen ist und dass sie darin aufgegangen ist, aber so lernt man sie kaum wirklich kennen. Man lernt in dem Buch Clementine, die heimliche Politikerin kennen, aber nicht den Menschen. Sie wirkte auf mich wie eine unglückliche Frau, die nur für ihren Mann lebt und eigenltich selbst auch lieber eine einflussreichere Rolle in der Politik gehabt hätte, was Frauen damals jedoch noch nicht zustand.