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eckenmann Avatar

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Im biographischen Roman Marie Benedicts erlebe ich mit der Leseprobe einen opulenten und furiosen Einstieg ins hochadelige und großbürgerliche England Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Autorin beschreibt aus der Sicht der Ich-Erzählerin das Kennenlernen und die Hochzeit mit dem gut 10 Jahre älteren liberal-konservativen Politiker Winston Churchill. Sehnsüchte und Ideale werden aufgezeigt. Der schon berühmt-berüchtigte Winston lässt dabei sowohl Stärke und Eigensinn und Machstreben erkennen wie eine zaghafte Bereitschaft, sich mit seiner Clementine auch über große Fragen der Zeit und der Gesellschaft auszutauschen.
Die in 4 großen Teilen enthaltenen Episodenkapitel beschreiben dabei die wechselhafte 37 Jahre des Paares und der wachsenden Familie. Aufstieg. Stagnation. Krise. Wiederaufstieg.
Clementine scheint mir sehr bedacht und bewußt als eine Frau mit ihren Stärken und Schwächen gezeigt, die einerseits im Zwiespalt zu ihren Pflichten als Mutter bewegt andererseits nicht nur schlechthin Stütze ihres Mannes sein will.
Das finde ich von der Autorin lebhafter und kräftiger in den Anfangsjahren und vor allem im Schlußteil gezeichnet, wenn Clementine aufgrund der Ereignisse der Bombardierung Englands im 2. Weltkrieg tatkräftig und aufopferungsvoll handelt.
Im Mittelteil empfinde ich Längen und Ungewissheiten. Sicher sind sie auch ein Ausdruck der tragischen Schicksale und des Stillstands im Politikerleben Winston Churchills. Besonders authentisch erlebe ich die Ich-Erzählerin, wenn sie Ereignisse mit eigenen Gedanken und Stimmungen unterlegt. Oftmals sind die Enden der kleinen Kapitel jeweils mit einem markanten Satz unterlegt, die mitunter patriotisch-pathetische Anklänge haben aber auch kleine Paukenschläge sind und eine Lady Clementine beschreiben, die mit hintergründig aber auch resolut mit sich und ihrem Partner bangt und ringt und hofft.
Die auf dem Cover betitelte "emanzipierte Frau" ist sicher aus den Zeitläufen und der Entwicklung dieser Jahrzehnte heraus zu verstehen.
Das Buch liegt gut in der Hand und lässt sich insgesamt leicht lesen. Ich tauche in die Geschichte Englands in und zwischen den beiden großen Kriegen ein. Interessant sind auch die Begegnungen und Beschreibungen mit dem Präsidentenpaar Roosevelt. Mitunter sind große Zeitsprünge, der Mittelteil verliert für mich etwas an Tempo und Farbigkeit. Aus der Sicht einer weiblichen Spitzenpolitikergattin wird lebendig Geschichte erzählt und uns dabei mehr als nur ein Blick hinter die Kulissen gestattet.