Lazar, anmutig und schön

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ikatzhorse2005 Avatar

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Lazar von Nelio Biedermann

Er saß dort, das schneeweiße Hemd mit rotbrauner Sauce bespritzt, an der Stelle des Herzens das Stück Rindfleisch, und konnte nicht sagen, wer dieses Kind war. Zwar wusste der Baron, dass es für sein Leben von Bedeutung war, aber weshalb fiel ihm nicht ein. So, jeder voreingenommenen Betrachtung enthoben, sah er Lajos zum ersten Mal, wie er wirklich war: blondhaarig, blauäugig, quallenhäutig.
Da fiel es ihm wieder ein: Das sollte sein Sohn sein. Dabei glich er ihm kein bisschen.
„Bist du dir sicher, dass das Kind von mir ist?“, fragte er spaßeshalber und gleichzeitig erkennend, dass er sich vor der Antwort fürchtete. S.18/19

In seinem 2. Roman erzählt der junge Autor Nelio Biedermann eine Familiengeschichte über mehrere Generationen. Diese ist inspiriert vom Schicksal seiner Anverwandten, einer ungarischen Adelsfamilie. Der Autor beschreibt die Blüte bis zum Niedergang des Adelsgeschlechts im zeitlichen Kontext zur historischen Geschichte des letzten Jahrhunderts. Beginnend kurz vorm Ausbruch des ersten Weltkrieges erstreckt sich die Erzählung bis in die 1950iger Jahre. Drei Generationen führen durch diesen sprachgewandten, anspruchsvollen Roman, den ich sehr gern gelesen habe. Seine sprachliche Exzentrizität lässt eindrucksvolle Bilder entstehen. Gerade die Landschaftsbeschreibungen und detailreichen Charakterzeichnungen sind äußerst gelungen, die Emotionalität bestechend. Nelio Biedermann haucht jeder seiner Figur eine absolute Intensität ein. Dabei entwirft er so unterschiedliche Wesenszüge, die der Geschichte Lebendigkeit bescheinigt.
Die erkenntliche Präzision der beschriebenen historischen Details lässt eine hervorragende Recherchearbeit vermuten. Bis ins Kleinste verliert er sich in Genauigkeit.

Das eindrückliche Cover finde ich besonders gelungend und passend. Ungarn ist seinerseit eine Pferdenation und das Pferd spielt traditionell eine wichtige Rolle in der Kutur und Geschichte des Landes. Die Pferdezucht in den Gestüten des Landes ist aus heutiger Sicht nicht wegzudenken. Des Weiteren verweist das Cover vielleicht auf eine Episode der Baronin Maria mit dem Pferdeknecht Pal, der dieselben wasserblauen Augen wie Lajos besitzt.

Fazit: Mit seinem vorliegenden Roman hat der Autor ein Stück Zeitgeschichte Ungarns und Europas eingefangen. Mit verschiedenen stilistischen Mitteln und literarischen Besonderheiten ist hier ein eindrücklicher Text entstanden. Ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl mich in seinen Worten zu verlieren oder zu verfahren, sondern fand das Geschriebene niveauvoll und gleichzeitig delikat. Ich hoffe zukünftig noch weitere Romane von Nelio Biedermann lesen zu dürfen!