Mir fehlt die Tiefe

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evarei Avatar

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Nelio Biedermann kann schreiben, kein Zweifel. Mich hat vor allem der erste Eindruck gefesselt, die sprachlichen Bilder - und bis etwa zum siebten Kapitel fand ich gerade die Verkürzung und das Fokussieren auf eine Sequenz, die vermutlich stellvertretend für mehr stehen soll, faszinierend.
Danach fehlte mir die Tiefe.
Das Buch ist eher wie eine Abfolge von Tiktok-Videos zu mehreren verwobenen Themen geschrieben - und ich bin nicht die Generation Tiktok. Ich möchte mehr erfahren über die Figuren, über die Zeit und "die Familiengeschichte über mehrere Generationen", wie es im Klappentext heißt. Das geht für mich nicht auf 328 Seiten.
Die Figuren werden skizziert und angerissen, bekommen vom Autor etwas "Typisches" - aber mehr nicht. Manche gehen ihm im Lauf der Erzählung verloren. Bei der letzten Generation fehlt (auch an Chronologiejahren) zuviel, als ob Biedermann nur noch schnell fertig werden wollte.
Nun kenne ich die historischen Ereignisse und habe mich gefragt, wie es jemandem ergeht, der dieses Wissen nicht hat. Autor und Verlag sollten sich bei den Übersetzungen oder einer Neuauflage zu einem Abschnitt mit Hintergrundinformationen entschließen.
Ich gebe trotzdem 4 (statt 3) Sterne, da mich die Sprache fasziniert hat - und ich auf Grund meines Vorwissens die ("Tiktok")-Ausschnitte gut in den in meinem Kopf bereits existierenden Kontext einordnen konnte.
Ein Buch für Leser mit Vorwissen zur ungarischen Geschichte - und für Leute, die es kurz und ausschnitthaft mögen. Nichts für Leser*innen, die eine wirkliche Familiengeschichte oder "Epochendarstellung" lesen möchten.