Was für ein Debütroman!

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Mit „Lazar“ legt Nelio Biedermann einen beeindruckenden Debütroman vor. Auf gut 330 Seiten entfaltet der junge Autor eine vielschichtige Familiengeschichte, die in Ungarn verortet ist und sich über mehrere Generationen erstreckt. Schon der erste Satz ist ein Versprechen an die Lesenden – poetisch, atmosphärisch und von einer Wucht, die einen sofort innehalten lässt:
„Am Rand des dunklen Waldes lag noch der Schnee des verendeten Jahrhunderts, als Lajos von Lazar, das durchsichtige Kind mit den wasserblauen Augen, zum ersten Mal den Mann erblickte, den es bis über seinen Tod hinaus für seinen Vater halten wird.“

Die Geschichte führt von den letzten Jahren der Habsburgermonarchie über die Zeit des Dritten Reiches bis hinein in die Stalin-Ära. Besonders im zweiten Teil des Romans nimmt das Thema Flucht und Vertreibung breiten Raum ein, wodurch die historischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts eindrucksvoll und zugleich beklemmend greifbar werden.
Biedermann erzählt in Episoden, mit einem klaren, auf das Wesentliche fokussierten Stil. Gerade bei einer Handlung, die Generationen überspannt, ist diese Verdichtung notwendig – und gelingt hier ausgesprochen gut. Einzelne Szenen stehen stellvertretend für ganze Lebenswege, ohne dass der Lesefluss an Intensität verliert.
Gleichwohl spürt man, dass ein Epos dieser Größe und mit diesem erzählerischen Anspruch nach mehr Raum verlangen würde. Manche Figuren oder Entwicklungen hätten noch stärker ausgearbeitet werden können. Doch diese Straffung ist weniger ein Mangel als ein Hinweis darauf, welch erzählerische Fülle zwischen den Buchdeckeln steckt.
Insgesamt ist Lazar ein sprachlich wie inhaltlich faszinierender Roman, der historische Wucht mit persönlicher Nähe verbindet. Ein bemerkenswertes Debüt, das neugierig macht auf alles, was von Nelio Biedermann noch kommen wird.
Das Titelbild mit dem Schimmel ist gut, gefällt mir persönlich aber nicht besonders.