Verflochtene Zeiten, verbundene Herzen

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Schon der Prolog hat mich sofort emotional gepackt. Mechthild Borrmann schreibt über Freundschaft und Loyalität mit einer solchen Wärme und Klarheit, dass ich direkt spüre, dass hier mehr erzählt wird als nur eine Familiengeschichte. Es scheint um jahrzehntelange Verbundenheit zu gehen, um Liebe, Verlust und Spuren der Vergangenheit, in der die Menschen dennoch fortleben.
Der Einstieg in Kühlungsborn im Herbst 1991 ist sehr atmosphärisch und ich habe mich an diesem Ort direkt heimlich gefühlt. Man sieht das kleine Haus auf der Anhöhe, riecht den Herbst, spürt die Einsamkeit der Protagonistin, die nach dem Tod ihres Mannes in Erinnerungen lebt. Die Autorin schafft es hervorragend, die Stimmung zwischen Nachwendetagen, innerer Leere und dem stillen Alltag einer älteren Frau einzufangen. Besonders berührt hat mich die Szene, in der sie mit ihrem Hund Pepe Tee trinkt und ein Brief aus der Vergangenheit sie in alte Wunden zurückwirft. Dies ist ein Moment, in dem man spürt, dass sich hier etwas Großes anbahnt.
Der Spannungsaufbau verläuft leise und gleichzeitig eindringlich. Zwischen Alltagsbeobachtungen, Naturbildern und Gesprächen liegt eine unterschwellige Spannung, die auf ein Geheimnis verweist. Die kurzen historischen Rückblicke, die Andeutungen über vergangene Freundschaften und über das Jahr 1953, lassen erahnen, dass mehrere Zeitebenen und Schicksale miteinander verwoben sein werden.
Mit Kapitel zwei wechselt dann allerdings die Perspektive in die 1930er Jahre. Ab hier entsteht sofort ein neuer, lebendiger Handlungsstrang. Magdalene, die junge Frau am Niederrhein, wirkt lebensfroh und neugierig auf die Welt. Ich bin sehr gespannt, wie ihr Schicksal später mit dem der Frau aus Kühlungsborn verbunden sein wird.
Das Cover passt wunderbar. Es strahlt dieselbe leise Melancholie und Zeitlosigkeit aus wie der Text selbst. Man spürt, dass es um „Bande" geht – familiäre, freundschaftliche, vielleicht auch politische.
Ich möchte dieses Buch unbedingt weiterlesen, weil ich Mechthild Borrmanns ruhige, poetische Erzählweise liebe und sie es immer schafft, historische Ereignisse mit persönlichen Geschichten zu verweben. Ich freue mich auf eine Leserunde, in der man gemeinsam den Spuren dieser Lebensbande folgen und über die Entscheidungen der Figuren diskutieren kann.

„Lebensbande“ wirkt schon jetzt wie ein stiller, eindringlicher Roman über Freundschaft, Erinnerung und die Kraft, der Vergangenheit ins Auge zu sehen.