Erschreckend real

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Juli Zehs Roman „Leere Herzen“ macht betroffen. Ein Deutschland der nahen Zukunft: Rechtspopulisten an der Macht, die Bürger haben das Interesse an Politik verloren, es gibt kaum noch Ideale, Träume, Hoffnungen. Erschreckend real erscheint das Geschehen. Viele Situationen des Alltags sind so gut beschrieben, so erschreckend real, dass ich Gänsehaut bekomme. Selbst kleine Randbemerkungen sind äußerst treffend. Fast glaubt man sich mittendrin, im Alltag von Britta und Babak. Kleiner Unterschied: Das Smartphone in Brittas Leben wird nicht mehr offensiv zur Schau gestellt sondern fast schamhaft in die Tasche gesteckt. Britta und Babak haben ein Unternehmen gegründet, dass sich auf die Heilung und Verwendung von Suizid gefährdeten spezialisiert hat. Eine beinahe geniale Idee. Wer nicht geheilt wird, stirbt kontrolliert, effizient und geplant. Noch dazu für einen „gute Sache“, eine politische oder gesellschaftliche Botschaft. Alles unter Kontrolle, keine Panik, keine Überraschungen. Doch Brittas Leben gerät aus den Fugen, als jemand versucht ihre Firma zu verdrängen. Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt, bei dem nicht nur das eigene Leben sondern auch Überzeugungen auf dem Prüfstand stehen.

Für mich eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Wunderbar geschrieben, hoch aktuell und fesselnd. Das Ende ist vielleicht ein bisschen harmonischer als ich vermutet hätte. Besonders erschreckt mich, dass ich in einigen Momenten sogar Verständnis für Babak und Britta aufbringen konnte. Wirklich lesenswert.