Gesellschaft der Gleichgültigkeit?!

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jojo_95 Avatar

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Das Werk "Leere Herzen", war das erste Werk von Juli Zeh, welches ich gelesen habe. Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich "Leere Herzen" nicht gelesen hätte, wenn es nicht Teil eines Uni-Seminars gewesen wäre, da weder das Cover noch der Klappentext mich auf Anhieb angesprochen haben und es auch eher aus dem Rahmen dessen fällt, was ich gerne lese. Es hat mich aber dennoch sehr überrascht, mich tatsächlich fesseln können und hat mir beim Lesen auch viel Spaß bereitet.
"Leere Herzen" zeichnet ein in einer gewissen Art realistisches, aber überspitztes und auch erschreckendes Zukunftsszenario (2025) und schafft es aufgrund dessen und aufgrund oder trotz der politischen Elemente die Spannung konstant aufrecht zu erhalten. Während des gesamten Buches steigt die Spannungskurve konstant an, ohne erwähnenswert Spannungsabfälle und erreicht seinen Höhepunkt am Ende. Wer allerdings eine Spannungskurve eines Thrillers oder ähnlichem erwartet, könnte hier etwas enttäuscht werden. Die dennoch stetig steigende und vorhandene Spannung, das am Ende eines jeden Kapitels neue Fragen aufgeworfen werden und innerhalb der Kapitel nur gerade so viele Fragen beantwortet werden, um der Frustration der Leser*innen vorzubeugen und die Neugierde aufrecht zu erhalten, sorgt dafür, dass der/die Leser*in „Leere Herzen“ nicht mehr aus der Hand legen möchte. Interessant war auch, dass man sich mit der Protagonistin (Britta Söldner) eher weniger/gar nicht identifizieren und auch nicht mit ihr sympathisieren konnte. Dabei wirkt sie aber immer noch wie eine „normale“ Person – aber was ist schon „normal“? Auch wenn der Zugang zu den einzelnen Charakteren schwierig ist, kann man von der Geschichte gepackt werden. Besonders gefallen hat mir aber, dass Juli Zeh es mit „Leere Herzen“ schafft, dass man darüber nachdenkt, ob und in welcher Ausprägung sich die im Buch beschriebene Politikverdrossenheit, Gleichgültigkeit und das Fehlen von Überzeugungen und Meinungen in unserer Realität zu finden sind und ob sie die Grundlage für ein ähnliches Szenario in der Zukunft bieten könnte. Beeindruckender fand ich aber noch, dass Juli Zeh es schafft, dass man anfängt über sich selbst nachzudenken und sein eigenes Handeln hinterfragt. Man fragt sich z.B. Habe ich Überzeugungen? Wenn ja, welche und würde ich für diese auch eintreten? Wenn nein, warum und könnte ich dann die Entscheidungen und Handlungen anderer (in allen möglichen Situationen) akzeptieren, ohne mich darüber zu echauffieren und aufzuregen? Oder ist es für mich wichtig Stellung zu beziehen (zu den verschiedensten Themen) und für meine Überzeugungen einzutreten? Das Szenario in diesem Werk hält vielleicht nicht immer unserer Realität statt, aber es regt dennoch zum Nachdenken und Reflektieren an.
Juli Zeh zeigt mit „Leere Herzen“ auf, dass in unserer Gesellschaft die Gleichgültigkeit immer mehr (wenn auch langsam) zu nimmt und es jetzt an der Zeit ist zu handeln und nicht erst dann, wenn es eigentlich schon zu schon zu spät ist – und das macht sie, ohne den Zeigefinger zu erheben.
Zum Schluss ist noch zu sagen, dass „Leere Herzen“ sehr flüssig und leicht geschrieben und zu lesen ist. Der/Die Leser*in kann der Geschichte gut folgen und wird wie bereits erwähnt oft auf die Folter gespannt. In sich ist das Werk schlüssig und hält an der ein oder anderen Stelle eine Überraschung bereit, die ich nicht erwartet hätte. Leider werden bis zum Schluss nicht alle Fragen geklärt, die sich beim Lesen ergeben.
Ich hatte viel Spaß beim Lesen von „Leere Herzen“, auch wenn es hier und da vielleicht kleine Schwäche aufweist und vermutlich auch nicht für jeden etwas ist. Um was es im Einzelnen genau geht und was genau es mit der Brücke auf sich hat, muss allerdings jeder selbst herausfinden.