Moralisches Lehrstück

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mangodog Avatar

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Natürlich handelt es sich bei Juli Zeh um einen Hochkaräter und es ist daran stilistisch und sprachlich überhaupt nicht zu rütteln. Figurenrede, Beschreibungen, Innenschau, das alles ist top. Auch die Figuren an sich sind psychologisch konsistent und interessant entworfen, was stark in Bann zu ziehen vermag, nur hätte ich mir für diese starken Figuren eine ebenso starke und vor allem wahrscheinliche Story gewünscht.
Die Ausgangsidee selbst ist noch grandios. Eine Frau namens Britta, harmlose Familienmutter, hat in einer nicht allzufernen Zukunft in einem Deutschland unter rechtspopulistischer Regierung ein Unternehmen aufgezogen, das Suizidgefährdete mit Institutionen zusammenbringt, die jene für Selbstmordattentate gebrauchen können, und die dafür gutes Geld zahlen. Dann gibt es eine Konkurrenzinstitution, einen ominösen Mann im weißen Hilux, von dem lange unklar bleibt, ob er Britta droht oder ernsthaft warnt. Und dann wird die Story zum wenig motivierten und irgendwie kitschigen Lehrstück. Britta opfert die besten ihrer Suizidgewillten für eine ehrbare Aktion, für die Demokratie, Juli Zeh opfert die beste ihrer Figuren, eine intelligente, charmante, junge Frau, die für eine gute Sache sterben will, für den moralischen Zeigefinger. Engagierte Literatur. das kann man finden, wie man will. Für mich war es an der Grenze zum unmotivierten Kitsch, trotzdem verfügte das Buch über genügend Spannung, es bis zum Ende zu lesen.