Viel zu viel Tüdelüt

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mammutkeks Avatar

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Normalerweise verzichte ich bewusst auf die Lektüre von sogenannten Cosy Crimes, die auf Mundart, Schrulligkeiten und abstruse Mordfälle setzen. Warum ich nun bei „Leichenblass im Fass“ eine Ausnahme gemacht habe, weiß ich nicht wirklich. Allerdings hat mich der „Krimi“ nicht von meiner bestehenden Meinung abgebracht, sondern diese vielmehr noch verstärkt.
Beginnen wir beim Cover: Der Roman ist in Ostfriesland angesiedelt, die Bauweise des abgebildeten „Kroogs“ entspricht aber eher der aus dem Elbgebiet um Hamburg. Ansonsten ist der Himmel stimmungsvoll düster-melancholisch.
Dann die Grundstory: Eine schrullige Schankwirtschaft in einem kleinen Dorf mit einer Brauerin, der immer wieder Tüdelbüdel genannten Gesine Felber. Der Kroog ist Mittel- und Treffpunkt der Dorfbewohner:innen. Nun aber soll das Tüdelbräu in einem (sehr abstrusen) Wettkampf mit weiteren Bieren antreten – u.a. mit dem Dünenhopfen des Großbrauers aus der „Stadt“. Das Tüdelbräu gewinnt, der unsympathische Großbrauer muss seinen Pokal abgeben, der Kroog und das kleine Dörfchen werden von Touristen überrannt. Erst recht, als es auch noch eine Leiche im Bierfass gibt.
Geschickt agiert Jensen, wenn er das Heimatörtchen Sünnum also so klein schildert, dass es noch nicht einmal bei Google Maps zu finden ist. Denn Sünnum ist ein ziemlich idealisiertes Dörfchen, in dem die Welt noch in Ordnung ist – und das erst durch den Ansturm der Touristen seinen Charme verliert.
Weniger geschickt ist die Aufwertung von Großheide, einem kleinen Flecken in Ostfriesland, der vor allem durch das gleichnamige Plakat bei Fußball-Länderspielübertragungen bekannt sein dürfte, zur „Stadt“.
Und was wirklich störend ist, sind die massenhaften Klischees, die die Grundlage der Story bilden. Im Dorf sind die Menschen zuvorkommend, reden miteinander, helfen sich, sind freundlich und nett – und bilden eine Einheit. Alle anderen sind aufdringlich, unfreundlich, laut und unsympathisch.
Zum „Kriminalfall“ möchte ich lieber keine Worte verlieren – Miss Marple aka Tüdelbüdel ermittelt, genau wie Tochter Wiebke, die zwar bei der Polizei ist, aber wohl nur als klassische Streifenpolizistin.
Sprachlich ist Jensens Krimi einigermaßen gelungen. Aber was hätte es für Möglichkeiten gegeben, dem Bier ein richtiges Denkmal zu setzen?! In „Leichenblass im Fass“ wirkt es, als ob Bierbrauen ähnlich wie Teeaufgießen wäre – dabei sind es gerade die kleinen Brauereien, in denen der handwerkliche Vorgang noch zelebriert wird. Und da wäre eine Beschreibung doch lohnenswert gewesen.
Nein, „Leichenblass im Fass“ wird nicht zu einer Empfehlung – und wird mich hoffentlich davon abhalten, weitere Regionalkrimis lesen zu wollen.