Zwischen Zürich und dem Hochschwarzwald

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bavaria123 Avatar

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Wenn man sich das Cover des Buches anschaut, so weiß man eines sofort. Es hat etwas mit der Schweiz zu tun. Und wahrscheinlich mit zwei Männern...Und wenn man sich mit Michael Theurillat ein wenig auskennt, wird man zumindest bei zwei Vorgänger Kriminalromanen auch Ähnlichkeiten im Cover finden.

Ich muss zugeben, dass es für mich aber das erste Werk vom Autor Michael Theurillat gewesen ist, das ich gelesen habe. Dabei ist "Lenz" bereits das sechste Buch in der Reihe um den Kommissar Eschenbach. Man muss die vorangegangenen Bücher aber nicht zwingend kennen, um "Lenz" verstehen zu können, es ist durchaus eigenständig nachzuvollziehen.

Von Anfang an hat mich der Schreibstil des Autors in der Tat gefesselt. Es gibt zwei Erzählstränge. Einer befasst sich mit den Ermittlungen des Kommissars, der andere mit den Erfahrungen, die Lenz mehr oder weniger zeitgleich macht. Zu Beginn jedes Kapitels werden der Ort und der Tag genannt, so kann man das als Leser gut nachvollziehen. Theurillat beginnt eher verhaltend um dann doch einen Spannungsbogen aufzubauen. Dieser ist nicht so extrem wie bei manchen anderen Krimis, aber doch derart, dass man unbedingt weiter lesen möchte. Dabei schildert der Autor die komplexen Zusammenhänge jedoch teilweise so geballt, dass er einen aufmerksamen und wachen Leser fordert. Ich lese gern auch mal zur Entspannung im Bett, da musste ich dann am nächsten Tag doch ab und an wieder zurückblättern, weil etwas Wichtiges meiner Aufmerksamkeit entgangen war.

Es ist kein typischer Krimi mit diversen Leichen und blutüberströmten Szenen. Es ist eher ein durchdachter fein verwebter politischer und auch sozialkritischer Tenor, der sich durch den Roman zieht und die genannte Spannung nach sich zieht. Und letztlich geht es um den aktuellen Terrorismus.

Die Figuren werden nicht in epischer Länge beschrieben, und doch sind mir gerade Eschenbach und Lenz sehr sympatisch erschienen. Und beider Gedanken und Gefühle konnte ich größtenteils nachvollziehen.

Interessant war für mich, dass in diesem Buch auch die relativ geheimgehaltenen Bilderbecktreffen benannt werden. Sie fanden erstmalig im Mai 1954 in den Niederlanden statt und es sind informelle Konferenzen einflussreicher Personen aus Wirtschaft, Politik, Militär, Medien, Hochschulen, Hochadel und Geheimdiensten. Sie sind mit einigen Verschwörungstherorien berankt und ich habe erst in einem einzigen anderen Buch darüber gelesen.

Absolut brillant verwebt der Autor dann letztlich die Stränge und schafft eine verständliche, nicht konstruiert wirkende Aufklärung.

Wer einen eher nachdenklichen, komplexen und aktuellen Kriminalroman erwartet, der wird mit "Lenz" das absolut geeignete Lesefutter finden. Wem es etwas rabiater mag, dem fehlt sicher etwas entsprechende Würze.

Ich vergebe gern vier Sterne und werde mich noch lange an die letzten zwei Sätze des Buches erinnern:"Die Wahrheit - sofern sie sehr unwahrscheinlich erscheint - glaubt einem niemand. Sie ist besser als jede Lüge.