Eine romantisierende Alltags-Betrachtung

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Es ist das Jahr 1948. Leo hat Österreich schon vor Jahren verlassen, und sich beinah damit abgefunden, dass er dort nicht länger willkommen ist. Was ihn zur Zeit viel mehr belastet: Seine einstige Karriere als Schriftsteller ist eingeschlafen, stattdessen verdient er in Palästina als Versicherungsmathematiker sein Geld. Doch das Leben dort ist eintönig und einsam: Seine Tochter und seine Frau (inklusive neuem Partner) haben ein anderes Exil gewählt, sodass die Beziehung zu den beiden auf Briefe begrenzt ist. Um seinen Alltag hinter sich zu lassen und an seine Erfolge als Autor anzuknüpfen, beschließt Leo, sich auf Einladung seiner Agentin, eine kreative Auszeit an der Ostküste der USA zu erlauben. Bei seiner Ankunft mit dem Zug muss er jedoch feststellen, dass die vorgesehene Unterkunft nicht länger existiert - ein Feuer hat nichts als Schutt und Asche hinterlassen. Stattdessen muss er im Gästehaus Roxy unterkommen, das von der resoluten wie charmanten Dora geleitet wird. Für Leo ist dies eine absolute Notlösung, die er so bald wie möglich hinter sich lassen möchte. Doch je mehr Zeit er im Roxy und mit dessen Bewohnern verbringt, desto mehr wachsen sie ihm ans Herz und lassen ihn die Welt mit ganz anderen Augen sehen.
Agnes Krup erzählt die Geschichte von Leo's Reise mit einem ganz besonderen Charme: Die Erwartungen, die er als belesener und weit gereister Mann aus Europa mitbringt, zerspringen im Roxy wieder und wieder an scheinbar banalen Dingen wie Gemeinschaftstischen und Salatcroutons. Übrig bleibt ein verwirrter Leo, eine amüsierte Dora, und ein lächelnder Leser. Dieser situative Komik lässt mich nur zu gerne darüber hinwegsehen, dass der eigentliche Inhalt des Romans in wenigen Sätzen zusammen gefasst werden könnte. Keine Cliffhanger, keine Wendungen oder geschickten Täuschen des Lesers. Stattdessen Unschuld, Humor, eine Reise durch die Zeit, die neugierig macht. Der historische Kontext wird sinnvoll einbezogen, ohne jedoch zu sehr im Vordergrund zu stehen. Insgesamt hat "Leo und Dora" mir wirklich gut gefallen, es hat mich unterhalten und ein wenig bezaubert. Die Sprache der Autorin ist eingängig und liest sich flüssig, sodass sich der Roman auch als Sommerlektüre oder Geschenk für eine liebe Freundin eignet.