Glück ist kein Gespenst

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juma Avatar

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Agnes Krup hat mit ihrem dritten Roman – der wie Sommergäste und Mit der Flut in Amerika angesiedelt ist und auch wieder Auswanderer im weitesten Sinne zu Protagonisten macht – eine wunderbare, feinsinnige Liebesgeschichte verfasst. Ich kenne die beiden anderen Romane nicht, aber die Rezensionen bescheinigen der Autorin bereits eine hohe Akzeptanz.
Ich bin also gänzlich unvorbereitet an Leo und Dora herangegangen, der kurze Annotationstext hatte mich angesprochen, ich war gespannt. Doch die ersten Seiten waren mühsam, zäh entwickelte sich die Geschichte: Leo, 1938 als Jude aus Wien geflohen, hatte seinen Lebensmittelpunkt in Palästina gefunden, das nun plötzlich Israel geworden war. Er, der eigentlich immer nur Schriftsteller sein wollte, verdiente dort seinen Lebensunterhalt als Versicherungsmathematiker. Was er dann unternimmt, nennt man heute wohl Sabbatical. Er macht sich auf nach Amerika, hofft auf einen schönen Sommer im Haus seiner Freunde, Alma ist seine Verlegerin – auch sie hat Hoffnungen: auf eine neues Buch von Leo. Doch nichts kommt wie geplant, das Anwesen von Alma und ihrem Mann brennt vollständig nieder, die beiden sind auf Reisen, und der unbeholfene Leo landet im Roxy in einer Dachkammer. Dora lernt er kennen, die führt das kleine Gasthaus und Anton, den Jungen mit den vielen Talenten. Die Nachbarn entpuppen sich als ein neugieriges, aber hilfsbereites Völkchen mit einer telefonischen Gemeinschaftsleitung. Eine herrliche Idee.
Es dauerte noch viele Seiten, bis mir das Buch plötzlich doch wie eine Offenbarung schien, Agnes Krup beschreibt einfühlsam und kleinteilig, was im Roxy, in Leo und Dora, in Anton, in den befreundeten Geringers vor sich geht. Durch Rückblicke, die in Erinnerungen und Gesprächen Licht in das Dunkel der Vergangenheit aller bringen, fesselt das Buch so unerwartet und heftig, dass ich es nicht mehr aus der Hand legen konnten. „Mr Perlstein“ und „Mrs Dora“ sind mir dabei so vertraut geworden, als würde ich sie persönlich kennen.
Was sich da entwickelt im Laufe dieses amerikanischen Sommers, das möge jeder selbst erkunden. Für mich war das Ende des Romans der Anfang der nächsten Geschichte. Der Phantasie sind ja keine Grenzen gesetzt.