Zwischen den Welten

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Im Hintergrund des Zweiten Weltkrieges versucht der alternde Exilant Leopold Perlstein im Jahre 1948 in der amerikanischen Provinz zwischen den Staaten New York/Connecticut seine Schreibblockade zu überwinden – sein letzter erfolgreicher Roman ist schon lange her und nach Wien ist er seit längerem in Palästina als Versicherungsangestellter gelandet. Eigentlich ist ein Landhaus für ihn reserviert, doch nachdem dieses abgebrannt ist, wird er von dem Jungen Anton in das Hotel Roxy untergebracht. Missmutig, grantig und genervt beobacht Leo dort die Gäste, das für ihn schlechte Essen und die windschiefe Unterkunft mitten in der kargen Landschaft. Der gute Geist des Hauses ist Wirtin Dora, die mit ihrer geduldigen, emsigen und liebevollen Art alle Gäste bei Launen hält und für Ordnung sorgt. Nach und nach entwickeln die beiden zarte Sympathien füreinander, lassen Ressentiments fallen und messen ihre Kräfte beim Kartenspiel Strohmandeln, den fast täglichen Tarockpartien. Und es gibt auch noch alte, beleidigte Gespenster, die in dem Haus ihr mysteriöses Unwesen treiben und längst Vergangenes nicht loslassen können.

Alte Verletzungen und Dämonen, doch auch das Neuorientieren nach Verlust, Krieg und Vertreibung spielen in Agnes Krup' leise erzähltem Roman „Leo und Dora“ eine tragende Rolle – alle Beteiligten legen Stück für Stück ihre alte Wunden dar und es webt sich ein feinfühliges Netz über den Neustart in der weiten Fremde, die für viele letztendlich eine sichere Gemeinschaft geworden ist. Verlorengegangene Heimaten, in ferne Länder gezogene Familienmitglieder oder tragisch verstorbene Angehörige – die Schmerzen der Vergangenheit und des Krieges fügen sich in ruhig erzählte Töne über die Landschaft, das tägliche Essen oder Schwimmen im See sowie das Vorwärtsgehen im Leben auch nach schwierigen, angstgeplagten Zeiten.

Unaufgeregt und mit subtilem Humor erzählt Krup mit feinfühlig gezeichneten Protagonisten von einer Liebe im späteren Alter, aber auch vom Loslassen alter Geister und Erinnerungen und auf das Einlassen fremder Menschen und Gewohnheiten sowie das Finden einer neuen Heimat. Dabei fängt sie entschleunigt und detailliert die Atmosphäre der damaligen Zeit und szenisch auch die Natur außenherum ein. Eine flüssig geschriebene und warmherzige Geschichte voller Hoffnung, der es hier und da etwas an Tiefgang fehlt und nicht unbedingt eine Gruselepisode benötigt hätte – und die doch den Leser am Ende mit einem warmen Gefühl im Bauch entlässt, dass ein Neustart jederzeit und jederorts möglich ist.