Anders als erwartet

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sanya Avatar

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Eine siebzehnjährige Schülerin verschwindet nach einer Party spurlos. Hauptverdächtiger ist der Lebensgefährte ihrer Mutter, in dessen Haus die Feier stattfand und der sich nun der Verhörspezialistin Fariza Nasri gegenübersitzt. Soweit die Story, wie es der Klappentext verspricht. Der Roman widmet sich diesem Fall allerdings nur begrenzt. Andere Storylines, die zunächst wie Nebenschauplätze wirken, nehmen deutlich größeren Raum ein. Hierbei liegt der Fokus jedoch stets auf den Vernehmungen der Kriminalkomissarin, die mit großer Geduld die Wahrheit aus ihrem Gegenüber herauszulocken versucht. Die verschiedenen Fälle oder eher Schicksale in diesem Roman sind teils schwer zu ertragen, besonders im Mittelpunkt steht die omnipräsente und teils brutale sexuelle Gewalt gegen Frauen, von der gleich mehrere Charaktere betroffen sind.

Schwer zu verarbeiten war dies für mich insbesondere durch den Schreibstil. Friedrich Ani hat eine ganz eigene Art, seine Geschichte zu erzählen, mit der ich leider nie richtig warm geworden bin. Es gibt wenige Kommentare des Autors, Beschreibungen der Umgebung oder der Vorkommnisse, oder Einordnungen. Stattdessen erhält der Leser seine Informationen zum Großteil aus den Gesprächen der Charaktere, vor allem aus den teils langatmigen Verhören. Die Schicksale gleich mehrerer Charaktere sind durchaus tragisch, sodass man in gewisser Weise mit ihnen mitfühlen kann. Jedoch erfährt man abseits der ihnen zugestoßenen Straftaten kaum etwas über sie und kann sich nur schwerlich mit ihnen identifizieren. Auch die Protagonistin Fariza Nasri blieb für mich selten unnahbar, bis zu einem abrupten Ende in Folge eines Nebenplots, der sich mir zu keinem Zeitpunkt erschlossen hat und die Frage offen ließ, ob es einen Vorgängerroman gab, der die Zusammenhänge hier irgendwie logisch erscheinen lassen würde.

Wem der Stil von Friedrich Ani grundsätzlich gefällt, der wird an diesem Buch mit Sicherheit Gefallen finden, da die Idee der verschiedenen parallel verlaufenden Handlungsstränge durchaus Potential bietet. Für mich persönlich hat sich die Handlung aber letztlich zu langsam, dann zu drastisch und vor allem teils nicht nachvollziehbar entwickelt und konnte mich zu keinem Zeitpunkt richtig in den Bann ziehen.