Aufwühlend und anspruchsvoll

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aennie Avatar

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Ein Fall, der Fariza Marie Nasri hart anpackt: ein verschwundenes junges Mädchen, nach einem Wochenende im Haus des Lebenspartners ihrer Mutter fehlt von Finja jede Spur. Besagter Freund ist ihr nicht geheuer, sie spürt das irgendetwas nicht stimmt, forscht nach, stößt auf einen Zwischenfall in einem Lokal mit einer Frau und gräbt immer tiefer und tiefer in Abgründe. Dabei gerät sie so tief, dass sie sich fast selbst verliert, mindestens taumelt und schwankt, in ihrer nach wie vor unsicheren Position bei der Kriminalpolizei München nach ihrem Exil in der bayrischen Provinz. Dann trifft sie noch ein persönlicher Schlag und plötzlich kämpft sie an drei Fronten: einem unter unklaren Umständen verschwundenes Mädchen, eine Frau mit einem dunklen Geheimnis und eine Freundin, der Schreckliches zugestoßen ist, und die eventuell auch mit einigem hinter dem Berg gehalten hat. Fariza wühlt sich durch den Sumpf fremder und eigener Angst, gefühlt immer am Rande des Abgrundes, in der Gefahr abzurutschen und sich selbst zu verlieren, ihren Beruf gar nicht mehr richtig ausfüllen zu können.

So entsteht nicht nur ein Kriminalfall, in dem die Ermittlung nicht im Vordergrund steht, sondern auch ein psychologisch hoch interessantes Porträt und ein ganz anderes Leseereignis. Ein Roman von Friedlich Ani ist eben nicht einfach nur ein Krimi, nicht nur seichte Unterhaltungsliteratur. Es ist ein Spannungsroman mit literarischen Qualitäten, die man dem Genre eigentlich (warum eigentlich genau?) abspricht, als könnten Spannung oder Brutalität oder Grausamkeit nicht auch mit Anspruch gepaart sein. Weit gefehlt, wie „Letzte Ehre“ wieder beweist. Das Thema ist grauenvoll, psychologisch mitreißend und gekonnt aufbereitet, so dass einem beim Lesen der Atem stockt. Opfer und Ermittler ziehen den Leser in einen Bann, von dem man sich am liebsten schnell lösen möchte. Man spürt jeden inneren Kampf – und das Aufgeben, die Kapitulation, die Niederlage, Abscheu und Ekel. Es bleiben sehr realitätsnah nur Verlierer. Das Ende bringt nochmals einen vollkommen unerwarteten Showdown, der dringend der Aufklärung bedarf… ich hoffe sehr auf eine Fortsetzung!

Fazit: wie schon bei „All die unbewohnten Zimmer“ kann ich sagen, dass man vielleicht wissen sollte, mit welcher Art Buch man es hier zu tun bekommt. Wer gerne Krimis nach Schema F liest, für wen die kulinarischen Ergüsse der Ermittle das Salz in der Suppe sind und ein möglichst immer gleich verlaufender Spannungsbogen aus Fall – Ermittlung – Krise – Auflösung wichtig ist, dazu noch ein möglichst harmonisches Privatleben und ein krimimäßiges Happy-End, der wird auch hier eventuell nicht glücklich. Mag man Krimis, die aus dem Rahmen fallen – auf jeden Fall. Mag man eigentlich gar nicht so wirklich Krimis, dann liest man hier einen anspruchsvollen Roman, der eben im Umfeld der Kriminalpolizei spielt und es passt.