Friedrich Ani kann es besser

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dj79 Avatar

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Oberkommissarin Fariza Nasri ist die treibende Figur in diesem Roman. Sie bringt die Ermittlungen durch ihre taktisch kluge Befragung von Zeugen voran. So wird hier vorgetäuscht gleichzeitig, aber in Wirklichkeit sequenziell an drei Fällen gearbeitet. Einer davon ist das Verschwinden der siebzehnjährigen Finja Madsen, die nach einer Party nicht wieder zurück nach Hause gekommen ist. Thematisch bewegen sich die drei Fälle im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Mädchen bzw. Frauen. Schon allein durch die thematische Abgrenzung hat es der Roman schwer.

Hinzu kommt die mühsam aufgebaute Spannung, die durch die Anordnung der Fälle schnell wieder erstickt wird. Hier wird nicht wie sonst oft gebräuchlich zwischen den verschiedenen Personen eines Ermittlungsteams hin- und hergeschwenkt, sondern viel aus der Innensicht von Fariza Nasri erzählt. So ergibt sich lediglich ein Mix aus Vernehmungen durch die Oberkommissarin und den anschließenden Gedanken ebendieser. Für eine Oberkommissarin ist Fariza Nasri meinem Empfinden nach auch nicht besonders vielseitig unterwegs. Von Vernehmungen in Zimmer 214 im Kommissariat geht es zu einer Befragung ins nahegelegene Gefängnis und wieder zurück. Mag sein, dass dies eher der Realität entspricht, dem Roman wird dadurch eine gewisse Trägheit verliehen. Wenn es denn einen Zusammenhang zwischen den drei Fällen geben sollte, hätte ich mir diesen deutlicher herausgearbeitet gewünscht.

Vorteilhaft ist lediglich, dass die Leserschaft Oberkommissarin Fariza Nasri, die auch schon in „All die unbewohnten Zimmer“ ermittelt hatte, näher kennen lernen durfte. Natürlich hat auch sie so ihre privaten und dienstlichen Probleme, die ganz gern im Alkohol ertränkt werden. Typischer Fall von Ermittlerin mit Knacks weg. Nicht verstanden habe ich dabei die Einschübe zu Tim Gordon, der selbst oder dessen Vater im Vorgängerroman einen Disput mit der Oberkommissarin hatte. Auch hier fühlte ich mich vom Autor nicht gut abgeholt. Ohne die Erklärung am Ende des Romans wäre diese Tatsache ganz an mir vorbei gegangen.

Summa summarum ist mir Friedrich Ani zu unscharf in seiner Ausarbeitung, nicht präzise genug. Ich kann gar nicht genau die Zusammenhänge wiederherstellen, obwohl ich mich stark auf diesen Roman konzentriert habe. Besonders enttäuscht hat mich die schlechte inhaltliche Korrektur. Die Nebenfigur des Streifenpolizisten heißt mal Marc-André Hagen, mal Marco Hagen und dann einfach nur
Hagen, wo im ganzen Roman die Figuren mit Vornamen oder mit Vor-und Zunamen bezeichnet werden. Ein zwei Ausrutscher kann ich mit einem Schmunzeln locker verzeihen, wenn es wie hier stetig hin- und herwechselt, geht es mir auf die Nerven.

Da ich auch „All die unbewohnten Zimmer“ kenne und auf Basis dieser Leseerfahrung eine gewisse Erwartungshaltung hatte, kann ich „Letzte Ehre“ nicht weiterempfehlen. Insgesamt hat mich dieser Roman enttäuscht.