Friedrich Ani - Letzte Ehre

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Fariza Nasri ist eine der besten Kommissarinnen, denn sie bringt die Menschen zu reden. Sie hört ihnen zu, gibt ihnen das Gefühl, dass sie sich bei ihr endlich alles von der Seele reden können. Nach dem Verschwinden der 17-jährigen Finja stecken die Ermittlungen fest, die Polizisten sind sich jedoch sicher, dass Stephan Barig, der Freund der Mutter, etwas damit zu tun hat. Langsam nähert sich die Oberkommissarin der Wahrheit. Sie hört Dinge, die sie nicht hören will, sich aber anhören muss und findet in dem Netz, das sie langsam webt, weitere Spuren zu einem ganz anderen Verbrechen und auch da ist sie es wieder, der das Herz ausgeschüttet wird und die die Last der Mörder auf sich nehmen muss. Dabei trägt sie auch ihre eigene Last, denn auf welcher Seite des Tisches im Befragungsraum Täter sitzen, verwischt ebenso wie die Vorstellung von Täter und Opfer.

Schon seit vielen Jahren ist Friedrich Ani eine feste Größe im deutschen Literaturbetrieb, mehrfach mit dem Deutschen Krimi Preis und anderen Ehrungen ausgezeichnet, hat er sich daneben auch als Drehbuchautor für Filme und Hörspiele einen Namen gemacht. Immer wieder erschafft er dabei ungewöhnliche Ermittler, die sich in keine Schublade pressen lassen, allen voran Tabor Süden. In „Letzte Ehre“ macht er eine Frau zur Protagonistin und wieder handelt es sich um einen Charakter, der aneckt, heraussticht, aber über genau jene speziellen Fähigkeiten verfügt, die letztlich zum Ermittlungserfolg führen.

Fariza Nasri spielt nicht guter Bulle/böser Bulle, sie konfrontiert ihre Gegenüber nicht mit Fakten, unterstellt ihnen nichts. Sie hört zu, gibt ihnen das Gefühl zu ersten Mal im Leben frei erzählen zu können. Sie haben keine Angst vor ihr, glauben sich ihr anvertrauen zu können und ahnen nicht, wie sie jedes Detail einsaugt, bis sie genug gehört hat, um zum Schlag auszuholen. So beherrscht sie in den Gesprächen ist, so emotional wird sie, als ihre Freundin überfallen und brutal misshandelt wird. Es gibt auch eine andere Seite der scheinbar völlig kontrollierten Frau, jene, die sie gut verbirgt, die ihr aber schon einmal zum Verhängnis wurde.

Neben seiner ungewöhnlichen Protagonistin besticht der Roman jedoch noch viel mehr durch die clevere Anlage gleich mehrerer Mordfälle, die so reibungslos ineinanderfließen, als wäre es geradezu zwingend von einem zum nächsten zu kommen. Spannend auch die Frage nach Schuld, Nasri kümmert sich nicht um die Emotionen der Täter, sie blickt dahinter und findet komplexe Geflechte, die, genau wie in ihrem eigenen Fall, die scheinbar so eindeutigen Grenzen der wohlgeordneten Welt verwischen.

Auch wenn viel gemordet und ermittelt wird, ein klassischer Krimi ist „Letzte Ehre“ so gar nicht. Es ist viel mehr der Blick in den Abgrund der menschlichen Psyche, der all das an die Oberfläche spült, was lange gut versteckt war, weil es hässlich und schlicht böse ist.