Zu viel gewollt

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oceanlover Avatar

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Oh, ich wollte dieses Buch lieben! Tiefseeforschungen, illustriert, das Buch beginnt mit einer faszinierenden Frau...

Doch meine Vorfreude und Begeisterung endeten genau dort: Am Anfang und bei den Abbildungen. Hauptsächlich lag das am Schreibstil - sicherlich wortgewandt und fast schon poetisch, für mich aber vor allem anstrengend. Wenn ihr seitlich auf mein Exemplar schaut und die vielen Post-Its seht, könntet ihr denken, dass ich viele schöne Stellen markieren wollte. Wenn ich sie ansehe, fühle ich mich in die Zeiten meines Politikstudiums zurückversetzt - nach einiger Zeit konnte ich in Texten fast schon ohne größeres Nachdenken die "wichtigen", "bedeutsamen" und "tiefsinnigen" Stellen und Abschnitte markieren. Nicht selten, ohne zu verstehen, was in komplexer Sprache da eigentlich ausgedrückt wird. Genau so ist es mir bei diesem Buch ergangen - da waren Sätze, die gebildet und wissend klangen, mich aber, wenn ich ehrlich bin, weder berührten noch mir verständlich waren.

Mit dem Schreibstil verbunden ist auch die Erzählweise bzw. der fehlende rote Faden. Dieses Buch ist keine reine Berichterstattung über die Tiefsee-Expeditionen, die Bathysphäre oder die beteiligten Menschen, sondern eine lose Kompilation von... vielem. Von Goethes Farblehre über Abenteuerromane, Wissenschaft im 20. Jahrhundert und zu allen möglichen Zeitpunkten zuvor, Dystopien und Piraterie, Sozialismus und Theater greift Brad Fox so viele Themen, Lebensläufe und Ereignisse auf, dass mir der Kopf schwirrte. Ich habe nebenher viel recherchieren müssen, weil die kurzen Kapitel Themen lediglich anrissen oder kryptisch in den Raum warfen, und hatte große Schwierigkeiten, dem Buch überhaupt zu folgen, weil es keine Konsistenz gab. Örtlich und zeitlich springt Brad Fox hin und her, kommt zu bereits vergessenen Figuren zurück und immer wieder die stakkatoartigen Tiefseeartenbeschreibungen. Kurzum, es kam bei mir einfach keine Lesefreude auf und recht unmutig griff ich immer wieder zu dem Buch, um es endlich zu beenden. Hilfreich waren auf jeden Fall die kurzen Kapitel; so konnte ich immer wieder Pausen einlegen.

Ich weiß gar nicht, was ich da auf knapp 300 Seiten alles gelesen habe - ich gebe zu, dass ich auch einiges dazulernen bzw. interessante Einblicke in alle möglichen Themen und Zeiten bekam, ein paar Recherche- und Buchempfehlungen mitgenommen habe und definitiv beeindruckt von der umfangreichen (Nach-)Forschung des Autors bin; er hat sich tief in eine Unzahl von Quellen vertieft und sauber und nachvollziehbar mit ihnen gearbeitet. Die Art der Zusammenstellung konnte mich jedoch einfach nicht begeistern.

Pluspunkte gibt es aber für die vielen Illustrationen, Zeichnungen, Fotos und Skizzen im gesamten Buch sowie den Fotopapierseiten, auf denen 31 Abbildungen großformatig und in Farbe hervorragend zur Geltung kommen. Und auch wenn Charles William Beebe die Hauptfigur des Buches zu sein scheint (ein lediglich fader roter Faden), gibt Brad Fox Frauen viel Raum; auch den weniger bekannten, missachteten, verdrängten und vergessenen. Diese Kapitel waren meine liebsten und ich bin froh, von Gloria Hollister, Dr. Barry, Marie Tharp, Else Bostelmann, Helen Damrosch Tee-Van und einigen mehr erfahren zu haben!



FAZIT: Nicht das Buch, das ich gerne gelesen hätte - zu wenig Tiefsee, zu viel thematische Exkurse; zu wenig roter Faden, zu viel aufgebauschte Sprache. Hervorragend recherchiert und illustriert, enttäuschend zusammen- und vorgetragen.