Gleichzeitigkeit und Menschlichkeit

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nantki Avatar

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„[…]Der Himmel von 1936 mit dem Himmel von 2010. Aus dieser Entfernung scheint es möglich, dass alles gleichzeitig geschieht: dieses Leben, jenes Leben — eine unermessliche Anzahl von Leben, die sich alle parallel abspielen.“

Der Zauberbaum — eine majestätische Eiche in der Division Street — hat schon alles mögliche gesehen, gehört und erlebt. Jahrzehntelang bewacht sie das Viertel und ihre Bewohner:innen, bewahrt deren Geheimnisse. So auch das von Sarah und Theo, die 1985 einen Unfall bauen mit zahlreichen Konsequenzen für ihr Leben und das ihrer Familie. Aber auch die Geheimnisse der Familie, die gegenüber wohnt und ihre Bilderbuchfamilienfassade wahrt, hat sie im Blick. Alice und Shenkman sind nicht perfekt, an ihren Sohn Waldo scheinen sie nicht heranzukommen; ist er doch ganz anders als andere 10-jährige in seinem Alter. Nur Ben Wilf, pensionierter Arzt und Vater von Sarah und Theo, scheint seit 2010 einen Zugang zu Waldo zu haben. Sie treffen sich zufällig unter der alten Eiche und bestaunen den Sternenhimmel. Eine ungewöhnliche Freundschaft beginnt.

Dani Shapiro hat mit Leuchtfeuer (Ü. Von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann) einen unglaublich berührenden Roman geschrieben. Sie schreibt über Schicksalsschläge, vermeintlich Außenseiter der Gesellschaft, was es bedeutet „normal“ oder „anders“ zu sein. Zart spürt sie der Frage nach, wie Menschen so werden, wie sie sind. Was prägt uns? Welche Schicksalsschläge trägt jedermensch mit sich herum. Sind die Menschen, denen wir begegnen, deren Leben wir berühren und mit unserem verzweigen zufällig in unser Leben gekehrt? Sinnbildlich verzweigen die Äste der Eiche die Geheimnisse und Besonderheiten der beiden Familien. Über Jahre hinweg. Shapiro konstruiert ihren Roman auf mehreren Zeitebenen und Perspektiven. Zwischen 1985 (sowie kleineren Exkursen ins „davor“) und 2020 werden Erlebnisse verschiedener Personen der beiden Familien den Lesenden nähergebracht. So weit, bis die losen Enden aufeinanderzulaufen. Sich alles miteinander verbindet. Vergangenheit und Gegenwart scheinen bisweilen in einer Gleichzeitigkeit aufzugehen.

Shapiro erzählt in klarer und bewegender Sprache davon, was es bedeutet Freundschaften zu pflegen. Sich gegenseitig zuzuhören, zu respektieren und zu helfen. Dass Menschlichkeit, Liebe und Aufeinanderzugehen das Leben lebenswerter machen.
Unbedingte Leseempfehlung!