Oftmals spielt das Schicksal Überraschung

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tinstamp Avatar

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Nach der Leseprobe war ich sofort Feuer und Flamme für diese Geschichte. So ganz gehalten hat die Euphorie leider nicht, aber im Großen und Ganzen ist der Roman über zwei Familien, deren Schicksal miteinander verflochten ist, ganz nett und vorallem anders, als ich dachte.

Die Geschichte beginnt mit einem dramatischen Ereignis im Jahre 1985. Die Geschwister Theo, 15 und Sarah Wilf, 17 Jahre, verursachen einen Unfall. Der erst 15-jährige Theo ist gefahren, das Mädchen am Beifahrersitz, der er imponieren wollte, ist tot. Seine angetrunkene Schwester Sarah nimmt die Schuld auf sich.

Die Autorin erzählt die Geschichte der Familie über den Zeitraum von 1970 bis 2020. Es sind jedoch Momentaufnahmen, denn Dani Shapiro wechselt die Zeiten willkürlich. Nach dem Drama 1985 lesen wir im Jahr 2010 weiter, danach geht es zurück zur Jahrtausendwende und zum allseits erwarteten Crash zu Silvester 1999. Es geht auch ins Jahr der Pandemie, 2020 oder ganz zurück ins Jahr 1970 und zum Kennenlernen von Ben und Mimi. Dadurch entsteht ein laufender Wechsel der Zeiten und wir begleiten die beiden Familien durch die Zeit und ihr Leben.

Es gibt keine konkrete Handlung, sondern man erlebt vorallem die Gefühlswelt der einzelnen Protagonisten und den Einfluss des Unfalls im weiteren Leben. Dani Shapiro zeigt die Konsequenzen auf, mit denen die Wilfs nach dem Unglück leben müssen. Damit hatte ich allerdings so einige Schwierigkeiten...
Die Autorin lässt die darauffolgenden Jahre nach dem Unfall in ihrem Roman aus. Wie in der Familie selbst, wird über diese verhängnisvolle Nacht einfach geschwiegen. Diese Sprachlosigkeit innerhalb der Familie wird den Wilfs zum Verhängnis.
Jedes Familienmitglied geht seine eigenen Wege und versucht den schrecklichen Abend vom Sommer 1985 zu vergessen. Trotz dieses einschneidenden Erlebnisses wurde aus Sarah eine erfolgreiche Filmproduzentin, ist verheiratet und Mutter von Zwillingen. Gerade in den USA wird Alkohol am Steuer sehr radikal bestraft und Sarah müsste demzufolge einige Jahre im Gefängnis verbracht haben. Davon ist allerdings nie die Rede. Einzig ein kleines Alkoholproblem scheint sie davongetragen zu haben und natürlich auch die Schuld, mit der sie seitdem leben muss und mit der sie hadert.
Auch Theo, der eigentlich gefahren ist, hat sein Leben nach einer kleinen Auszeit im Ausland, danach wieder im Griff und eröffnet zwei erfolgreiche Szene-Lokale, die über Monate ausgebucht sind.
Diese glücklichen Wendungen fand ich nicht wirklich logisch, auch wenn die immerwährende Schuld, die Sarah, Theo und Ben in sich tragen, im ganzen Buch ein unterschwelliges Thema ist. Es geht um Alkoholsucht, Krankheit, Trauer und Einsamkeit, Untreue und Entfremdung, Alzheimer und Versagen......eben die ganze Palette des Lebens.

Dani Shapiro legt ebenfalls sehr viel Wert auf die Verbindung des Schicksals....und zwar dem zwischen den Wilfs und den später zugezogenen Shenkmans. Ben hat eine besondere Verbindung zu Waldo, dem außergewöhnlichen Jungen gegenüber, der von seinen Eltern nicht verstanden wird und anscheinend Asperger hat (mein persönlicher Eindruck). Er liebt die Astronomie und weiß alles über den Sternenhimmel. Sein Weg wird sich noch öfters mit den Wilfs kreuzen und endet in einer großen Freundschaft zwischen ihm und Ben.

Wie schon erwähnt, springen die Zeiten oftmals willkürlich hin und her. Durch die Jahreszahlen am Beginn des Kapitels kann man dem Wechsel allerdings gut folgen. Auch die Namen der Protagonisten, aus deren Sicht erzählt wird, sind über den Kapiteln vermerkt. Die Charaktere sind gut gezeichnet, nur Mimi blieb mir etwas zu blass.
Der Schreibstil ist angenehm und lässt sich gut lesen. Allerdings waren einige Dinge für mich nicht ganz logisch. Die immer wiederkehrenden mystisch angehauchten Synapsen, bei denen es um das Schicksal geht, sind vielleicht nicht jedermans Sache.

Der Sternenhimmel ist ein großes Thema im Roman und wurde auch von den meisten Verlagen in anderen Ländern für das Cover übernommen. Das deutsche Cover finde ich hingegen zum Inhalt nicht wirklich passend, auch wenn es mit den hübschen Pastellfarben ein kleiner Eyecatcher ist.

Fazit:
Für mich war dieser vielfältige Familienroman einmal etwas ganz anderes. Er hat mich unterhalten, nachdenklich gemacht und ich denke er wird auch noch nachhallen. Ein Highlight war er für mich allerdings nicht.