Traurige Familiengeschichten

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
gkw Avatar

Von

Die Geschichte zweier Familien wird auf mehreren Zeitebenen zwischen den Jahren 1070 und 2020 erzählt, allerdings nicht chronologisch. Das ist übersichtlich gestaltet, indem stets eine genaue Datumsangabe vorangestellt wird. Innerhalb dieser Abschnitte sind es dann jeweils mehrere Perspektiven, aus denen heraus die Geschichte erzählt wird.
Hauptsächlich sind wir bei der Familie Wilf. Die Kinder und der Vater fühlen sich schuldig an einem Autounfall, bei dem die Freundin der Tochter starb. Die Mutter hat keine Schuldgefühle, aber sie trifft eine falsche Entscheidung, um ihre Kinder zu schützen. Es soll nie mehr über den Vorfall geredet werden. Sie schweigen und so leidet jeder allein.
Im Haus gegenüber zieht nach einigen Jahren die Familie Shenkman ein. Ihr Sohn Waldo ist ein stiller, scheuer Junge, der keine Kontakte hat und sich für Astronomie interessiert. Viele halten ihn für merkwürdig und auch die Eltern wissen nicht, wie sie mit ihm umgehen sollen.
Zwischen diesen beiden Familien wird es Verbindungen geben, die ein positives Element in das Buch bringen.

Das ist auch bitter nötig, denn insgesamt liegt eine große Melancholie über allem. Den Personen fehlt es an Leichtigkeit. Keiner ist glücklich, mit allen empfindet man Mitleid, beim Lesen entsteht eine traurige Grundstimmung.
Es sind sehr viele Probleme angesprochen: Alkoholismus, Alter, Alzheimer, Einsamkeit, Erziehungsschwierigkeiten, Hochbegabung, Krebs, Pandemie, Schuldgefühle, Tod, Trauma, Untreue. Ja, das Leben bietet eine große Palette von negativen Erlebnissen. Dennoch fand ich es dann etwas zu viel, was hier hineingepackt wurde.
Das Buch liest sich flüssig, man muss aber beim Zeitwechsel immer mal kurz innehalten und überlegen, wo und wie das zwischen die zeitlich vor- und nachgelagerten Abschnitte passt, die man schon kennt. Gestört hat mich, dass auch im hinteren Teil des Buches weitere neue Zeitebenen auftauchen.
Es ist ruhig erzählt, nicht kitschig, aber auch nicht anspruchsvoll.
Eine der wesentlichen Botschaften des Buches ist, dass alles miteinander in Verbindung ist, die Menschen, die Zeiten und nichts verschwindet. Was früher war, ist noch existent. Was sein wird, ist schon da.
Das Buch zeigt, wie kleine Zufälle ihren Einfluss auf das Leben haben und es vollständig verändern können mit Narben, die für immer bleiben.
Es ist natürlich auch ein Appell, miteinander zu reden, die Verbindungen zu nutzen.
Gerne verzichtet hätte ich auf die übersinnlichen Momente, die im hinteren Teil des Buches vermehrt auftauchen, damit konnte ich nichts anfangen.

FAZIT
Zwei Familienschicksale, die sehr berühren, aber auch eine traurige Grundstimmung beim Lesen erzeugen. Gut geschrieben mit gutem Aufbau, allerdings von allem etwas zu viel: zu viele Zeitenwechsel, zu viele Themen, zu viele Personen (da blieben naturgemäß einige etwas "blass"). Gute Unterhaltung, aber nicht erstklassig.
3,5 Sterne