Dunkle und helle Tage

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
petris Avatar

Von

Als sich Ellis und Michael zum ersten Mal begegnen, an jenem Tag, als Michael nach dem Tod seiner Eltern zu Großmutter Mabel gebracht wird, die auch für Ellis Zufluchtsort und Trost bedeutet, ist da sofort eine tiefe Verbindung. Beide Jungen haben es nicht leicht im Leben, Michael ist früh zur Waise geworden, Ellis Mutter stirbt ebenfalls jung und sein Vater verbietet ihm, Kunst zu studieren und schickt ihn stattdessen in die Fabrik zur Arbeit.
Die beiden Jungen sind sich gegenseitig Trost, sie inspirieren sich, es verbindet sie eine tiefe Freundschaft und auch Liebe. Während für Michael klar ist, dass er schwul ist, mag Michael auch Mädchen. Seine große Liebe ist Annie.
Viele Jahre später, Michael ist inzwischen Mitte 50, einsam und völlig verloren in seiner Trauer um seine Frau, die ums Leben gekommen ist. Er zieht sich zurück, arbeitet nur noch nachts, ihm geht es nicht gut und er sieht keinen Sinn mehr. Bis ihn ein Ausrutscher mit dem Rad wieder zurück ins Leben katapultiert, Schritt für Schritt, sehr langsam.
Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen, sie war mit den unterschiedlichen Perspektiven und Zeitebenen sehr spannend zu lesen. Schön fand ich auch das Leitmotiv des Bildes mit den Sonnenblumen von van Goghs, das schon für Dora, Ellis Mutter, ein Symbol des Schönen, des Lichten und der Freiheit war und das sich dann auch durch Ellis und Michaels Geschichte zieht. Ich mochte auch, dass ein großer Teil der Geschichte in den 90ern spielte, in denen ich selber eine junge Erwachsene war. Walt Whitmans Gedicht „Oh Captain! Mein Captain!“, der Film, aus dem wir es kennen (der im Roman nur beschriebene nicht genannte „Club der toten Dichter“), das Thema HIV und Aids (mit allem, was dazu gehört: Diskriminierung, Leid, Angst,…), … Das alles rief Erinnerungen auf, an die ich schon lange nicht mehr gedacht hatte.
Allerdings ein falscher Name im allerersten Satz des Buches (Dora wird hier Carol genannt) ist erst verwirrend, wenn man ihn dann als Fehler erkannt hat, sehr ärgerlich. Auch hatte ich bei einigen Stellen ein wenig den Eindruck, dass die Übersetzung holperte. Und es gab ein paar Episoden, die mir zu offen blieben und dabei nicht den Eindruck erweckten, dass damit dem:der Leser:in Freiraum geschaffen wurde, sondern eher wirkten, als ob die Autorin nicht genau gewusst hätte, wie sie diese Lücken füllen könnte. Bei nur 220 Seiten wäre da schon noch Platz gewesen.
Ein schön zu lesendes Buch mit interessanten Themen aber kleinen Schwächen. Wer die 90er mag, einen Roman über eine besondere Freundschaft und das Bild mit den Sonnenblumen liebt, der ist hier gut aufgehoben.