Lichte Tage - leichte Lektüre?

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gaia Avatar

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Um über diesen Roman reden zu können, muss man mehr offenbaren, als es der sehr grob gezeichnete Klappentext vermag. Wer darüber hinaus also nichts erfahren möchte, überspringe diese Rezension.

Vieles dreht sich in „Lichte Tage“, um eine erste Liebe und die große Liebe, was nicht für jeden immer zusammenfällt, aber auch die Freundschaft und alles, was dazwischen liegt und vielleicht nicht definiert werden kann. Wir begleiten die Jungen aus einem Arbeiterviertel Ellis und Michael und sehen Annie später zu ihnen stoßen. Wir begleiten Kinder und Jugendliche aus ihrem trostlosen, gewalttätigen Alltag hinein in die Möglichkeit einer besseren Zukunft. Und wir begleiten aber auch homosexuelle Männer in ihr Leben und Leiden mit AIDS, denn der vorliegende Roman spielt in einem Zeitraum zwischen den 1950ern und Mitte der 1990er.

Für mich kamen diese Themen recht überraschend in der Geschichte auf, weshalb ich den Roman durchgängig mit Interesse gelesen habe. Es handelt sich eben nicht um eine „konventionelle“ Dreiecksbeziehung, sondern um eine, in der homo-, bi- und heterosexuelle und/oder platonische Liebe vorkommt. Es handelt sich nicht um einen Wohlfühlroman, denn wir werden mit einigen Schicksalsschlägen der Protagonisten konfrontiert und erleben hautnah die Scheußlichkeit der AIDS-Erkrankung mit. Das macht meines Erachtens den Roman erst so richtig interessant. Denn die Schreibe an sich ist eher einfach gehalten und weist mitunter Schwächen auf. Dazwischen blitzen immer wieder poetische Gedanken auf, die sehr schön sind und so für sich stehend herausstechen. Was die Autorin auf jeden Fall kann, ist das atmosphärische Beschreiben und damit auch Herausarbeiten der Unterschiede zwischen einem britischen Arbeiterquartier innerhalb der Universitätsstadt Oxford und der Wärme, dem Licht und der Natur Südfrankreichs. Denn dorthin zieht es immer wieder die Protagonisten des Romans, zu unterschiedlichen Zeiten und unter unterschiedlichen Vorzeichen.

So richtig greifen kann man letztlich aber sowohl die Geschichte als auch die Gefühle der Protagonisten zueinander nicht. So schreibt auch Winman:
„Wer waren wir, Ellis, ich, und Annie? So oft habe ich versucht, uns zu erklären, aber jedes Mal bin ich gescheitert. Wir waren alles, und dann zerbrachen wir.“
Man möchte gern diese außergewöhnliche Beziehung verstehen können. Im Verlauf des Buches gibt es immer mehr Hinweise darauf, wer diese Menschen sind und waren und was sie zusammen oder auseinandergebracht hat. Das ist gut gemacht. Nur leider blieben mir mitunter die Figuren trotzdem noch zu fern. Ich hätte mir hier einen Roman mit etwas mehr Volumen gewünscht, um tiefgründigere Beschreibungen der Figuren zu bekommen, um in gewisse Themen tiefer eintauchen zu können. Manches wirkt noch wie ein Entwurf einer viel facettenreicheren, umfangreicheren Geschichte.

Da ich den Roman trotz seiner kleinen Makel sehr gern gelesen habe, entscheide ich mich bei 3,5 Sternen als Bewertung zu einem Aufrunden auf die 4 Sterne. Leicht ist also die Lektüre aufgrund der Sprache schon, aber man sollte keinen inhaltlich „leichten“ Roman erwarten. Hier werden knallharte Themen angeschnitten.

3,5/5 Sterne