Mit ganzer Wucht

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aischa Avatar

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Wow, was für eine Kraft! Diese Story hat mich verzaubert, zutiefst berührt und aufgewühlt. Ich habe die gerade einmal 230 Seiten fast in einem Rutsch gelesen und hatte am Ende Lust, gleich noch einmal von vorne zu beginnen.
Die britische Schauspielerin und Romanautorin Sarah Winman erzählt von Liebe und Freundschaft, von ungelebten Träumen und erfüllten Sehnsüchten, von Menschen, die in gesellschaftlichen Zwängen feststecken, und von anderen, die sich davon lossagen und aufbrechen, aber damit auch Familie und Freunde zurück lassen und verletzen.
Der Roman gliedert sich in zwei Hauptteile. Im ersten steht Fabrikarbeiter (und verhinderter Künstler) Ellis, im zweiten Schriftsteller Michael im Mittelpunkt. Anhand vieler Rückblicke zeichnet sich nach und nach ein Bild der intensiven Freundschaft der beiden ab, in der auch die gleichgeschlechtliche Liebe Platz findet. Das ändert sich, als Ellis sich in eine Frau verliebt, aber die drei sind einander innigst freundschaftlich verbunden. Jedenfalls bis zur Hochzeit von Annie und Ellis, danach zieht sich Michael zurück, bricht den Kontakt ab, zieht von Oxford nach London und taucht in die dortige schwule Szene ein.
Scheinbar mühelos gelingt es Winman, Personen, Szenerien und Stimmungen so deutlich herauszuarbeiten, dass man förmlich meint, das Beschriebene selbst erlebt zu haben. Atemlos erinnerte mich die Lektüre an die übermächtige Bedrohung, die AIDS in den 1980ern darstellte, an das furchtbare, massenhafte und qualvolle Sterben junger Männer, eng verknüpft mit Scham und Tabuisierung.
Es ist eine tieftraurige Geschichte, einfach wunderbar erzählt.