Nicht ganz rund für mich

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ekna Avatar

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1950: Carol Judd gewinnt bei einer Tombola und hat die Wahl zwischen verschiedenen Preisen. Ihr Mann fordert sie auf, die Flasche Whisky zu nehmen, doch Carol entscheidet sich für ein Bild mit 15 Sonnenblumen - eine ziemlich authentische Reproduktion des berühmten Meistermerks Van Goghs. Sie hängt das Bild in die Trostlosigkeit ihrer heimischen Stube, wo es für sie zum Symbol der Sehnsucht und Ort für unausgelebte Träume wird. Ihr Sohn Ellis und sein halbverwaister Kindheitsfreund Michael wachsen mit dem Bild auf. Sie sind schon früh unzertrennlich und auf einer gemeinsamen Reise in die Provence wird aus Freundschaft bald Leidenschaft, wenngleich auch nur kurzweilig. Als wenig später eine Frau namens Annie in ihr Leben tritt, ändert sich einiges: aus dem Zweiergespann wird ein dreiköpfiges Team. Doch plötzlich trennen sich die Wege der Freunde, als Michael überstürzt und ohne viele Worte nach London zieht.

Die erste Hälfte des Buches wird aus Ellis' Perspektive erzählt. Einst wollte er Künstler werden, doch nun ist er bereits über 40, schiebt Nachtschichten in in einer Autofabrik Oxfords und klopft kleine Dellen aus den Karosserien von Neuwagen. Mittlerweile verwitwet, ist seine Einsamkeit großes Thema. Im zweiten Teil wechselt die Handlung zu einer tagebuchartigen Erzählung Michaels, der als junger Mann immer das Ziel vor Augen hatte, Dichter zu werden - und ab hier habe ich mich irgendwie verloren.

Ich bin ein bisschen zwiegespalten, weil ich vom Klappentext her irgendwie etwas anderes erwartet hatte, als einen Roman voller Erinnerungen, in dem aber handlungsmäßig gar nicht mal so viel passiert. Es geht viel um die Bände der Freundschaft, die erste Liebe, Einsamkeit und Verlust. Die Stimmung ist melancholisch, es ist die Zeit, in der Aids auch in Großbritannien um sich greift. Ich habe die Gefühle der Protagonisten verstanden, konnte mich aber trotzdem nicht wirklich in sie hineinfühlen, mir waren sie zu unantastbar und ich "fühlte" die Liebe nicht - sie war mir fast gleichgültig. Ich hätte auch gern Annie besser kennengelernt, von ihr erfährt man fast gar nichts, obwohl sie doch scheinbar auch eine tragende Rolle spielt. Und so kommt es, dass ich die ruhige, aber auch wirklich poetische Sprache der Autorin sehr viel mehr mochte, als die Handlung an sich. Während die erste Hälfte noch sehr subtil war, habe mich in der zweiten Hälfte zwar nicht unbedingt gelangweilt, aber das Gefühl schwingt mit, dass man aus der Handlung so viel mehr hätte machen können. Ich habe es vor 4 Tagen beendet und irgendwie jetzt schon wieder so ziemlich alles vergessen, was in der zweiten Hälfte passierte. Leider war das Buch für mich nichts Halbes und nichts Ganzes, hinterlässt hier und dort (für mich) unüberwindbare Lücken und hat irgendwie als Gesamtkonzept nicht ganz funktioniert. Vielleicht bekommt es aber irgendwann noch eine zweite Chance von mir.