Allein der Kunst verpflichtet?

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buecherwurm Avatar

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Der neue Kehlmann präsentiert sich auf schwarzem Hintergrund, mit weißen und roten Lettern, also in den Farben des Deutschen Reichs. Wir haben es mit einem hochkarätigen historischen Roman zu tun. Er zeigt die Geschichte des deutschen Films, von Stummfilm bis Nachkriegs-Heimatfilm.
Mit Ironie und einem beeindruckenden Gespür für die Schwächen der Menschen schickt uns der Autor auf die Spuren des berühmten Regisseurs G.W. Pabst. Dieser war eine Art Wendehals. Im Herzen politisch links, verfilmte er Brechts „Dreigroschenoper“, lehnte Hitlers Machtergreifung ab, versuchte sein Glück in Paris und Hollywood, konnte sich allerdings, nicht zuletzt aufgrund rudimentärer Englischkenntnisse, dort nicht durchsetzen und landete zunächst aus privaten Gründen wieder in seiner Heimat Österreich, die jetzt Ostmark hieß. Dort ließ er sich von den Nazis vereinnahmen, wobei er sich immerhin von klassischen Propagandafilmen fern hielt und versuchte, einfach weiter gute Filme zu machen. Bis zuletzt redete er sich selbst ein, er kämpfe für die reine Kunst.
Schon der Einstieg in den Roman ist brillant! Wir befinden uns in der Gegenwart, die Perspektive ist die seines, inzwischen senilen Assistenten Wilzek.
Kehlmann liebt die indirekte Rede, dennoch wirken die Dialoge unmittelbar und echt. Atmosphärisch dicht und immer ganz nah am tiefsten Inneren der Menschen kommen nach und nach andere Personen in den Fokus.
Wer sich für das Kino interessiert, findet in diesem Roman, was möglicherweise hinter den Kulissen in den Köpfen der Beteiligten geschah. Wer einen ungewöhnlichen Roman über die Nazizeit lesen möchte, sollte diesen hier nicht auslassen.
Kehlmann ist wieder einmal genial!