Das Leben ist kein Film

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geschwaetz Avatar

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„Einst war das Lichtspiel eine Jahrmarktsattraktion gewesen.“
Daniel Kehlmann erzählt eingebettet in die historischen Ereignisse des 2. Weltkrieges, aus dem Leben und Arbeiten des Regisseurs G.W.Pabst, der zu seiner Zeit, dem Übergang vom Stumm- zum Tonfilm, sehr berühmt war.
Wunderbar vielsagend beginnt dieser Roman, mit dem Vergessen dessen, was während des Krieges passierte. Vor allem von denen, die sich schuldig fühlten und schuldig waren.
Stellvertretend für unzählige Menschen, wird an G.W.Pabst sehr nachvollziehbar aufgezeigt, wie schwierig es ist, sich in politisch komplizierten Zeiten soweit anzupassen, dass man überleben kann, auch wenn einem moralisch vieles gegen die Überzeugungen geht.
Der Regisseur denkt weder politisch korrekt, wie die Reichsfilmkammer es von ihm fordert, noch verhält er sich clever, als es noch die Möglichkeit zu reisen, zu emigrieren gibt. Aus verletztem Stolz und privaten Gründen bleibt er nicht Hollywood, sondern kehrt nach Europa, nach Österreich, das nach der „Heimholung ins Reich“ Ostmark heißt, zurück und darf weiterhin Filme zur Unterhaltung des Publikums drehen. Immerhin blieben ihm Propagandafilme erspart.
Nach dem Verlust des Material seines Films „Der Fall Molander“, der nach der vehementen Aussage seines Assistenten nie gedreht wurde, hat er sich mehr und mehr in sich selbst zurückgezogen, sich immer heftiger in seine Obsession des Filmemachens hineingesteigert und ist der Welt entflohen. Er versucht, mit Verdrängung der Realität durchs Leben zu kommen. Alles was er sieht und erlebt, betrachtet er aus der Perspektive des Filmemachers. Doch das Leben ist kein Film.
Daniel Kehlmann nutzt gekonnt einige literarische Stilmittel, seinen subtilen Humor und zeichnet sehr einfühlsam die unterschiedlichsten Figuren, ohne zu werten, so dass sie einem fast alle ans Herz wachsen.
Dieses „Lichtspiel“ ist auch deshalb so interessant, weil viele Beschreibungen, Szenen, Dialoge u.a. spiegeln, was für uns heute relevant und politisch sehr aktuell ist.
Die Buchgestaltung sieht insgesamt sehr edel aus. Das Cover in schwarz/weiß, wie die damaligen Stumm- und Tonfilme, der innere Einband in einem satten, warmen Dunkelrot, wie die Samtbezüge von Kinosesseln.
Die Lektüre dieses Romans ist sehr empfehlenswert.