Eine weitere gelungene Kehlmann-Zeitreise

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
cjaay Avatar

Von

Die Hauptfigur des Romans "Lichtspiel" von Daniel Kehlmann ist der österreichische Regisseur G.W. Pabst, der in der Weimarer Republik einer der erfolgreichsten deutschen Regisseure war. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ging er mit Frau und Sohn nach Frankreich und Amerika, konnte aber in Hollywood weder beruflich noch privat richtig Fuß fassen. Ob die Bitte seiner kranken Mutter oder eine geheime Absprache mit der deutsch-österreichischen Filmindustrie ihn zur Rückkehr bewog, ist nicht bekannt. An diesem Punkt nimmt sich Kehlmann nach eigener Aussage die Freiheit, sich als Romancier, der nicht wie ein Biograph der Wahrheit verpflichtet ist, den für den Verlauf der Geschichte passenden Grund auszusuchen. Die Familie kehrt also trotz Widerstands der Ehefrau Trude wegen der kranken Mutter 1939 nach Österreich zurück. Eine Ausreise ist nicht mehr möglich, da der Besuch mit dem Kriegsbeginn zusammenfällt.

Der Geschichte ist spannend, kurzweilig, tragisch, hat aber auch viele komische Szenen, die wirklich lustig sind. Das Eingangskapitel gehört zu diesen Szenen. Es spielt in den 1980er Jahren und beschreibt, wie ein ehemaliger jetzt dementer Kameramann Papsts in eine Talkshow eingeladen wird und dort vehement die Existenz eines verschollenen Films abstreitet. Auch sonst hält sich der demente Gast nicht an Absprachen und verursacht einige Peinlichkeiten. Die Tragik für ihn selber ist, dass ausgerechnet an diesem Tag der Fernseher im Seniorenheim kaputt geht und seine Mitbewohner ihn nicht sehen.

Der existierende oder nicht existierende Film ist immer wieder Thema und bildet auch den Schluss des Buches. Der Leser erfährt viel über die Herstellung des Produkts Film, Kameraführung, Schnitt, Marotten von damals bekannten Schauspielern, gegenseitige Animositäten. Über allem steht immer die Frage, wieweit sich Kulturschaffende in einem totalitären System anpassen und verbiegen müssen oder ob es Nischen und Möglichkeiten des Widerstandes gibt. Darüber hinaus geht es auch um die ganz private Schuld von Pabst als Vater, der seinen kleinen Sohn durch die Rückkehr zum Hitlerjungen und Soldaten macht. Amüsant ist die Szene, in der Trude sich in einem Literaturkreis von Frauen wiederfindet. Selbst hier muss man überlegen ob man diesen und jenen Autor überhaupt erwähnen darf. Zur Sicherheit lesen die Frauen immer den gleichen schlechten Schriftsteller, der ein linientreuer Nazi ist.

Das Buch wird vielen Lesern Spaß machen, da es flüssig und unterhaltsam zu lesen ist und den dafür offenen Leser zu Denkprozessen ganz unterschiedlicher Thematik anregt.