Ich habe euch in diese Hölle zurückgeführt.

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ismaela Avatar

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Obwohl ich mit Filmen, Serien oder Kino schon sehr lange nicht mehr wirklich viel anfangen kann (ich brauche sowas nur noch als "Hintergrundgeräusch" bei anderen Tätigkeiten, wenn überhaupt), aber trotzdem hat mich der Klappentext sehr interessiert und ich war gespannt.

Der Filmregisseur G. W. Pabst war ein Meister seines Faches in den 1920er und 1930er Jahren, in der Stummfilmzeit, und war bereits einem breiten Publikum bekannt, als er kurz vor der Machtergreifung der Nazis "das Reich" verlässt (er stammte aus Österreich). Er versucht, in den USA Fuß zu fassen und hofft auf Menschen, die er durch seine Filme groß gemacht hat und die jetzt im Neuen Land durchstarten (z. B. Greta Garbo). Doch bald muss er lernen, dass in den USA das Geld entscheidet, und nicht Geschmack, Können oder Erfahrung. Nach einem desaströs in die Hose gegangen Film, der ihm mehr oder weniger aufgezwungen wurde, geht er zurück nach Österreich, weil es seiner Mutter sehr schlecht geht. Dort, wie auch in Deutschland, herrscht das Schreckensregiment der Nazis, und obwohl Pabst eigentlich alsbald wieder in die USA zurückkehren möchte, macht ihm der Überfall der Nazis auf Polen diese Pläne zu nichte, und er ist gezwungen zu bleiben. Natürlich bleibt den neuen Machthabern nicht verborgen, dass ein berühmter Regisseur "nach Hause zurück gekehrt" ist, und zwingen ihn unter Androhung von Deportation (auch seiner Familie) dazu, Propagandafilme zu drehen...

Dieses Buch entwickelt einen großen Sog, je weiter sich die Geschichte entwickelt, weil Daniel Kehlmann diesen Roman ein bisschen aufbaut wie einen Film: es gibt viel Dokumentation, viel Drama, ein bisschen Historisches, Heimatschmonz, und einiges an Szenen und Beschreibungen, bei denen man nicht genau unterscheiden kann, ist das nun Fantasie oder Realität? Bekannte Namen tauchen auf, wie z. B. Leni Riefenstahl, und auch wenn Kehlmann die Ereignisse nicht immer chronologisch korrekt wiedergibt (zumindest nach einer eher rustikalen Internet-Recherche meinerseits) und ich nicht genau wusste, ist das tatsächlich so passiert, oder ist das die Fiktion des Autors?, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Gerade im letzten Teil, als in den letzten Kriegswirren noch ein Film in Prag gedreht wird und alles wie im Fieberwahn an einem vorbeirast - diese Beschreibungen machten mich regelrecht atemlos! Auch Pabst und seine Familie werden in ihrer Komplexität grandios dargestellt, wobei natürlich hauptsächlich der Regisseur selbst im Mittelpunkt steht. Denn schließlich ist er es, der seine Familie wieder zurück in die Hölle des Nationalsozialismus führt, um bei seiner Mutter zu sein, und sie dadurch mit in Gefahr bringt.

Nach dem Lesen des Buches bin ich direkt neugierig, ob man Filme von G. W. Pabst noch irgendwo anschauen bzw. kaufen kann. Das würde die Stimmung des Buches sicherlich noch um einiges vertiefen...