Korrumpierte Kunst

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Daniel Kehlmanns neuer Roman Lichtspiel widmet sich dem berühmten österreichischen Regisseur G. W. Pabst. In der Weimarer Republik ist er neben Fritz Lang, Friedrich Wilhelm Murnau & Ernst Lubitsch der bedeutendste Regisseur.

Er macht Greta Garbo berühmt, verfilmt die Dreigroschenoper & gilt als der „rote“, da sozialkritische, Pabst. Nach der Machtergreifung der Nazis versucht Pabst sich in Hollywood, kehrt aber nach Misserfolgen nach Frankreich zurück & wird schließlich mit seiner Familie bei einem Heimatbesuch 1939 vom Kriegsbeginn überrascht. Aus Österreich gibt es kein Entkommen mehr & die Nazis locken Pabst mit der Möglichkeit Filme zu machen.

Lichtspiel erzählt eine Geschichte von korrumpierter Kunst & korrumpierten Künstlern. Der Roman ist - typisch Kehlmann - sprachlich bestechend & hoch spannend.

Es finden sich groteske Szenen, etwa als Pabsts Ehefrau Trude, die die Nazis ablehnt & an der Situation zu zerbrechen droht, einen Buchclub mit den Gattinnen von NS-Bonzen beitreten soll, um ihrem Mann Vorteile zu verschaffen. Das Damenkränzchen diskutiert aufs Trivialste & lobhudelnd ausschließlich die seichten Romane des linientreuen Autors Karrasch. Jeglicher Versuch einen anderen Autor vorzuschlagen, wird auf absurde Weise abgelehnt. Schließlich wird Trude in den Zirkel aufgenommen & eine andere Leserin ausgeschlossen, weil sie einmal zu oft Hermann Hesse ins Spiel gebracht hat.

Währenddessen wird Pabst (fiktiver) Sohn Jakob zum überzeugten Parteigänger und zieht voll Freude in den Krieg.

Gleichzeitig schreibt Kehlmann aber auch Szenen, die einen schaudern lassen: KZ-Häftlinge, die als Statisten für Massenszenen bei Filmen herhalten müssen (was etwa in Leni Riefenstahls Film Tiefland traurige Realität war) & deren ausgezehrten Körper in historische Kostüme genäht werden.

Lichtspiel ist ein empfehlenswerter, auf historischen Tatsachen beruhender Roman über G. W. Pabst & die NS-Filmindustrie, in dem Daniel Kehlmann geschickt die Wirklichkeit weiterspinnt & großes Kino abliefert.