Kunst in schwierigen Zeiten

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Der neue Roman von Daniel Kehlmann, „Lichtspiel“, entführt in die Filmwelt der 30er und 40er Jahre, der Zeit des Nationalsozialismus, und rückt den Regisseur G. W. Pabst in den Fokus der Handlung. In Europa als erfolgreicher Filmemacher gefeiert, gelingt Pabst hingegen der erhoffte Durchbruch im amerikanischen Exil nicht. Um seine erkrankte Mutter vielleicht ein letztes Mal zu sehen, reist er kurz vor Kriegsausbruch mit Frau und Kind zu ihr zurück nach Ostmark, einst Österreich. Und tatsächlich werden die Grenzen geschlossen und Pabst und seine Familie sitzen in Deutschland fest. Schnell geraten auch sie in das Räderwerk der NS Propaganda. Jakob, der Sohn, wird Mitglied in der Hitlerjugend, seine Ehefrau Trude, ertränkt den bedauernswerten Fortgang aus Amerika in Wein und Pabst selbst gibt den eindringlichen Forderungen des Ministeriums nach und dreht weiter Filme, wenngleich er damit zweifelhafte Interessen bedient. Er korrumpiert und lässt sich auf die unanständigen Verstrickungen mit den Nazis ein, welche zwangsweise dazu führen, dass er sich in der Ausübung seines Berufes verbiegen muss. Pabst ist bemüht, sich selbst zu entlasten, indem er vorgibt, der Kunstwillen und um zu überleben, keine andere Wahl zu haben.
Diese Ambivalenz zwischen dem Wunsch seinem künstlerischen Schaffen nachzukommen und dem Wissen um die moralische Verderbtheit des Regimes, machen das großartig dargestellte Spannungsfeld dieses Romans für mich aus. Um welchen Preis ist Kunst gerechtfertigt? Und ist sie noch wahrhaftig, wenn sie auf Kosten der Selbstaufgabe entsteht? „Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, was man will. Wichtig ist, Kunst zu machen unter den Umständen, die man vorfindet. Das hier sind jetzt meine Umstände.(…)“ gibt Pabst zur Antwort(305).

In Kehlmanns Künstlerroman verschwimmen immer wieder Fiktion und Realität eingebunden in den historischen Kontext. Wahrheit und Erfindung gehen eine Symbiose ein. Die Figuren sind, wenn auch an manchen Stellen etwas überzogen (z.B. der nationaltreue Hausmeister), glaubhafte Protagonist*innen. Ihrer Sicht auf die Geschehnisse wird durch das mehrperspektivische Erzählen entsprochen. So fällt der Spot für die Dauer eines Kapitels auch auf Nebenfiguren und rückt ihre Wahrnehmung und ihre Fragen ins Blickfeld. Die Erzählung ist tragisch und von großer Ernsthaftigkeit und doch kommt sie dank Kehlmanns bildstarker, intensiver, klaren Sprache, fast behände daher.
Kurzum, der Roman hat mir hervorragend gefallen und mir eine ganz wunderbare Lesezeit bescherte.