Licht(spiele) und Schatten(spiele)

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hyakkin Avatar

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Der österreichische Regisseur G.W. Pabst war einer der bekanntesten Größen der Neuen Sachlichkeit während der Weimarer Republik. Angewidert vom Nationalsozialismus emigrierte er in die USA, konnte dort jedoch nicht an seine Erfolge anknüpfen und kehrte nach Österreich zurück. Drei Filme drehte er während der Zeit des Dritten Reichs, darunter 1945 den Kriminalfilm "Molander". Daniel Kehlmann erzählt in "Lichtspiele" Pabsts Geschichte.

Wie in Kehlmanns anderen Romanen erzählt der Autor den hervorragend recherchierten und durch renommierte Historiker abgesicherten Stoff nicht einfach nach, sondern bearbeitet ihn literarisch in der Absicht, durch Erfindung von Tatsachen die Bedeutung des Geschehens schärfer zu fassen, gleichsam allegorisch hinter die Kulissen der äußeren Handlung zu blicken.

Auch in diesem Werk sind die Figuren wieder mit viel Liebe zum Detail gezeichnet, die Vermischung von Fiktion und Fakten gelingt so virtuos, dass es nur mit hohem Aufwand an Recherche gelingt, die Trennlinien zwischen beiden zu finden, die Vergangenheit steigt lebendig auf und auch der Humor kommt nicht zu kurz. Die einzelnen, sorgfältig gesponnenen Fäden verweben sich am Ende zu einem stimmigen Gesamtbild.

Und dennoch ist etwas anders. Im Gegensatz zu Kehlmanns bisherigem Werk kann die "überraschende Pointe" gleich zu Beginn erahnt werden. War es tatsächlich notwendig, solch eindeutige Hinweise zu geben? Aber damit nicht genug: Ist die Pointe noch dichterische Freiheit oder schon ein Affront? Hätte zumindest nicht die editorische Notiz, über die wahren Umstände sei nichts bekannt, wo doch in Wahrheit alles bekannt ist, unterbleiben sollen? Zumal diese in der Tat bewusst den Schluss nahelegt, es könnte sich vielleicht doch so ungeheuerlich zugetragen haben, wie im Roman beschrieben? Allenfalls könnte hier der Verweis auf ähnliche Fälle Entlastung schaffen, aber zu eindeutig ist die Zuordnung des Geschehens zur Hauptperson des Romans.

Alles in allem liegt hier wohl Kehlmanns bisher kontroversester Roman vor. Ein Kapitel heißt ironischerweise "Schattenspiele". In "Lichtspiele" liegen Licht und Schatten dicht beieinander.