Nur fast ganz großes Kino

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aischa Avatar

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Seit seinem Erfolgsroman "Die Vermessung der Welt" schätze ich Daniel Kehlmann als großartigen Erzähler, der historische Figuren mit Witz und Intelligenz zum Leben erweckt. Das ist ihm auch in seinem neuesten Werk gelungen, und er zieht aus seinem literarischen Werkzeugkasten so manche Überraschung.

Gleich zu Beginn der Geschichte beeindruckte er mich mit der Darstellung von Pabsts ehemaligem Regieassistenten beim Auftritt in einer Fernseh-Talkshow. Psychologisch einfühlsam zeigt Kehlmann, wie der an Demenz erkrankte ältere Herr verzweifelt versucht, Erinnerungslücken zu füllen, wie ihn seine Krankheit und die Reaktionen der Umgebung verunsichern und er dadurch aggressiv wird. Ein weiteres Glanzstück ist eine geradezu surreal anmutende Szene, in der Pabst vor den NS-Propagandaminister Goebbels zitiert und von diesem vorgeführt wird.

Der Roman gliedert sich in drei große Teile: Pabsts erfolgloser Versuch, in Hollywood Fuß zu fassen, seine Rückkehr ins Deutsche Reich (die eigentlich nur als kurze Stippvisite geplant war und mehr oder weniger erzwungen wurde) sowie die Zeit nach Kriegsende. Neben wirklich großartigen Szenen muss man sich leider auch durch Mittelmäßiges lesen. Kehlmann verliert sich einerseits in biografischen Details und lässt es andererseits an Tiefe fehlen. Vor allem das ethische Versagen seines Protagonisten erschließt sich mir nicht, wodurch dreht sich Pabsts moralischer Kompass von gut zu böse? Und wieso erfindet Kehlmann für das Ehepaar Pabst einen Sohn?

Auch einige Nebenfiguren fand ich recht seltsam dargestellt. Greta Garbo und Louise Brooks wirken schablonenhaft, Leni Riefenstahl gerät zu einem tumben Hanswurst. Kehlmann überträgt viele Filmtechniken ins Literarische, "Lichtspiel" ist voller Überblendungen und Loops, es gibt häufige Perspektivwechsel und Szenen im magischen Realismus. Doch leider zieht sich Vieles zu sehr in die Länge oder bleibt an der Oberfläche, so dass mich die Geschichte leider trotz der abwechslungsreichen Erzähltechnik immer wieder gelangweilt hat.

Fazit: Einige hervorragende Abschnitte, aber als Ganzes doch etwas enttäuschend.