(Un)Menschlichkeit in der Filmindustrie des Dritten Reichs

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frischelandluft Avatar

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Vor dem Hintergrund der Filmindustrie der 30er und 40er Jahre mit Glamour und viel Blingbling, mit großen Namen wie Fritz Lang und Greta Garbo, tauchen wir ein in das Leben von Filmschaffenden im Dritten Reich. Der Roman spielt überwiegend in dieser Zeit, ist eingebettet in eine Rahmenerzählung aus der Gegenwart. Der Plot dreht sich zentral um den Filmregisseur G.W. Pabst und seine Arbeit, als er zunächst in die USA emigriert, dort scheitert, ins angeschlossene Österreich zurückkehrt und dort unter veränderten Bedingungen wieder filmt.
Die historischen Hintergründe (Personen, Ereignisse) scheinen solide recherchiert zu sein. Die Story wird durch fiktionale Personen, viele gute Szenen und Dialoge lebendig. Im Zentrum stehen für mich jedoch nicht die biografischen Hintergründe um Pabst, das ist die Trägerstory, sondern wie sich der/die Einzelne mit der politischen Situation arrangiert, wie Kunst instrumentalisiert und banalisiert wird, und die Frage, ob künstlerisches Schaffen außerhalb der Politik steht.
“Natürlich müsse man höllisch achtgeben, nichts Falsches zu sagen, seit Kriegsbeginn noch mehr als früher. Aber wenn man sich daran gewöhnt habe und die Regeln kenne, fühle man sich beinahe frei.” (S.195)
Die Nazis erscheinen als gut funktionierender Apparat, der alle Bereiche durchzieht, vom Beruflichen ins Private, in der Stadt und auf dem Land, im Offiziellen und Intimen. Die Menschlichkeit finden wir vereinzelt in Nebenfiguren.
Das Buch liest sich flüssig und trotz der Schwere der Thematik unterhaltsam. Die Geschichte setzt sich aus vielen Perspektiven bzw. Einzeleinstellungen zusammen, das schafft Dynamik und wird nicht langweilig. Trotz (oder vielleicht wegen) dieser Perspektivenwechsel bleiben wir distanzierte Beobachter (wie im Film) von Pabst. So schwenkt stilistisch der Fokus weg von der Einzelperson hin zur Frage nach Verantwortung und Menschlichkeit.
Spannend geschrieben, sehr lesenswert. (Un)Menschlichkeit im Nationalsozialismus wurde schon oft in der Literatur thematisiert, hier in einem eigenen Stil in der Welt des Films.